Ankunft in Afrika

Zwischen Ziegenfuss Street und namibischer Herzlichkeit

Vom Flugzeug aus, kann man bereits erkennen, was einen in Namibia erwartet: weites und trockenes Land soweit das Auge reicht.

Das sich die Einheimischen riesig über jeden Regentropfen freuen, mag für uns Österreicher zwar schwer, aber doch nachvollziehbar sein. Was uns tatsächlich überraschen sollte, waren die kuriosen Dinge und die Hilfsbereitschaft, die wir in den nächsten Tagen erleben sollten.

Die ersten"Lektionen" über Namibia, will uns eine wenig kooperative, dominante, afrikanische Mama alias Chefin der Visum Abteilung bereits bei der Ankunft am Flughafen erteilen. Michaels Visum wurde falsch abgestempelt und bei Nachfrage erhält er lediglich ein gleichgültiges Schulterzucken. Als temperamentvolles Alphatier bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Chefin selbst aufzusuchen um eine Korrektur zu bewirken. Die kräftige Mama nutzt die Gelegenheit, ihre Autorität zu demonstieren und hält einen forschen Vortrag um dann 10 Minuten später trotzdem die gewünschte Korrektur vorzunehmen.

Keine 2 Stunden später erreichen wir Samantha's Guesthouse im sauberen Windhoeker Stadtteil Eros. Die Besitzerin, ihre Familie und der kleine hauseigene Zoo sind uns gleich sympathisch. Die kommenden Abende sollten wir uns bei heiteren Gesprächen zu (österreichischen) Schnaps und (namibischen) Rotwein noch besser kennenlernen.

Unter Tags erkunden wir Windhoek zu Fuß, auch mit dem Ziel eine Versicherungsanstalt zu finden, die uns eine Kfz-Haftpflichtversicherung anbieten kann. Die Stadt an sich macht einen sauberen Eindruck, viele Straßen münden in Zentrum, das nur von wenigen Hochhäusern gesäumt ist. Ein Touristenmagnet ist der sogenannte "Art & Craft Market" mit dazugehörigem Kaffeehaus. Auch wir fühlen uns dort wohl, schauen einheimischen Künstlern auf die Finger, schmökern in Büchern und quatschen über afrikanische Musik.

Wieder draußen erleben wir innerhalb von wenigen Momenten strahlenden Sonnenschein und heftigen Hagel. Man berichtet uns außerdem, dass Namibia, speziell Windhoek, im internationalen Spitzenfeld liegt was die Zahl an Blitzschlägen mit Todesfolge betrifft. Na dann...

Die Stunden vergehen schnell. Wir essen Pizza, wechseln noch Geld, kaufen eine Sim-Karte und genießen die Temperatur.

An unserem letzten Abend in Windhoek sollten wir auch um neue Musik, ein Versicherungsangebot und vor allem um eine Freundin reicher sein. Samantha führt uns samt Familie zum Essen aus - in Erinnerung geblieben sind außer den Anekdoten noch der unglaublich süße Süßkartoffel Stampf alias orangefarbenes Zuckerpüree.

Nach drei Nächten in Namibias Hauptstadt Windhoek verabschieden wir uns von Samantha, ihrer jüngsten Tochter und den Tieren des hauseigenen Zoos, um per öffentlichen Shuttle Bus von Windhoek nach Walvis Bay zu reisen.

Wind, Robben und noch mehr Wind

Die Fahrt nach Walvis Bay dauert etwas mehr als sieben Stunden. Die Landschaft ist überraschend karg und Michael nutzt die Gelegenheit, während der Fahrt mit einem pensionierten Farmer zu plaudern. Der sympathische alte Herr heißt Dieter, ist Namibier und hat wie bereits seine Großeltern sein Leben zur Gänze hier verbracht. Wehmütig blickt er auf die arbeitsreichen und glücklichen Jahre auf seiner Farm zurück. Die Entwicklungen in Sachen Inlandspolitik, im Konkreten die zunehmend schlechtere Stellung weißer Einheimischer bereiten ihm Sorgen. Seinen Lebensabend möchte er mit seiner Gattin und dem gemeinsamen Hund in Swakopmund verbringen.

Wir erreichen unser Quartier in der Abenddämmerung. Früh genung jedenfalls um zu sehen, wie Ausläufer der Namibwüste in Form von hohen Dünen auf den Atlantik treffen. Ein erfrischender Kontrast fürs Auge.

Wir verabreden uns am nächsten Tag mit Eddie dem Agenten der Spedition um letzte Details der Fahrzeugübernahme zu fixieren. Leider hat er schlechte Nachrichten was den Termin betrifft. Das Schiff soll nicht wie geplant am Freitag, sondern erst am Montag vollständig entladen werden. Immerhin vermittelt er uns einen Bekannten über den wir für Samstag zwei Touren buchen. Am Vormittag mit dem Kayak zu einer Robbenkolonie paddeln und am Nachmittag eine geführte Offroad-Tour in die Namibwüste. Klingt soweit ausgezeichnet...

Unter Tags strahlt uns die Sonne ins Gesicht, den restlichen Körper halten wir bedeckt bei permanenten Wind, der teils unangehm heftig bläst.

In der Stadt Walvis Bay gibts kaum etwas zu entdecken außer ein indisches Restaurant, einen Offroad-Shop und einen Spar Supermarkt, der mit ordentlicher Auswahl glänzt.

Umso mehr freuen wir uns, als Samstag früh die erste Tour startet. Die Fahrt in die Bucht dauert ein knappe Stunde, vorbei an Flamingos und streunenden Schakalen, bevor wir die ersten Robben erkennen können.

Kurze Instruktion, rein in die Plastikklamotten und lospaddeln heißt die Devise. Wir brauchen etwas um unsere Schläge perfekt zu koordinieren, sind aber bald das wendigste und flotteste Kayak der ganzen Bucht :).

Die Robben sehen größer aus als erwartet, immer noch niedlich bis auf den dominanten Haremswächter, der mal flott ein Weibchen unter sich begräbt. Bei der Paarung kommt es tatsächlich öfters zu Todesfällen, indem das achtfach schwerere Männchen eine zarte Robbendame unter sich (zer)quetscht.

Die jüngernen Robben haben sichtlich Freude an unserem Besuch, tauchen um unser Boot und  strotzen vor Neugierde. Bemerkenswert wie nahe wir den Tieren in ihrer natürlichen Umgebung kommen dürfen.

Am Ende der  ersten Tour sollte wir bis in die Unterwäsche nass, vorallem aber um eine besonders schöne Erfahrung reicher sein.

Ein schmaler Grat

Halb bekleidet, da ja waschelnass, trotzdem vollständig bedeckt starten wir zu Mittag in die Namibwüste. An Bord sind unser Guide Pieter und ein sympathisches Päarchen aus der Schweiz. Auf der Fahrt Richtung Nationalpark machen noch nen kurzen Fotostopp bei der großen Saline südlich von Walvis Bay. Gelbe Dünen mischen sich mit rotem Wasser, dazu noch weiße Salzkrusten und ein strahlend blauer Himmel - den Anblick würden wir gerne länger aushalten, doch der Wind weht richtig heftig und wir setzen die Fahrt rasch fort.

In der Wüste angekommen hüpft Pieter unvermittelt aus dem Geländewagen, wirft sein wohlgenährtes Bäuchlein mitten in den Sand und beginnt wie wild zu buddeln. Was durchaus unterhaltsam zum Ansehen ist, sollte sich als Technik herausstellen. Pieter ist auf der Suche nach einem Gecko. Genauer gesagt dem "Namibgecko". Dieses winzige Tier ist nachtaktiv, völlig ohne Pigmentierung also zum Großteil durchsichtig und mit einem hohen Niedlichkeitsfaktor ausgestattet. Kaum einen Minute später sollte sich so ein flinker Gecko in Ines Hand wiederfinden - ein herzhaftes Lachen inkludiert.

Die Fahrt führt weiter über steile Dünen hinauf und hinab, bis wir vor einen großen Dünenkamm stehenbleiben. Michi macht sich barfuss auf den Weg, läuft zügig und genießt die feinen Sandkörner zwischen den Zehen. Als Ines oben ankommt, teilen wir diesen Moment voller Glück und Zufriedenheit. Wir schießen ein Foto, Ines schlägt ein Rad, wir fühlen uns frei und voller Euphorie. Wir spüren, dass wir angekommen sind.

Wenige Sekunden später passiert das Unmögliche: Ines ist wieder am Weg nach unten, als sie im Sand stolpert. Der Sturz sieht ganz harmlos aus, der Gesichtsausdruck von Ines jedoch nicht. Michael schnappt sie und hebt sie auf die Rückbank des Wagens während der heftige Wind die Dramatik unnötigerweise noch unterstützt. Die Schmerzen am Knie sollten unerträglich werden und wir beschließen die direkte Rückkehr nach Walvis Bay um ins örtliche Krankenhaus zu fahren. Ines übersteht die holprige mehrstündige Fahrt mit Bravour.

Nach sieben schmerzhaften, anstrengenden und intensiven Stunden im örtlichen Hospital, sind wir mit der Diagnose konfrontiert, dass es sich um eine Fraktur handelt. Ein Bruch im Bereich des oberen Schienbeines. Über die weitere Behandlung möchte die Ärztin keine Auskunft geben (sie gibt sich "General Doctor" zu verstehen), überreicht uns aber noch die Telefonnummer einer Chirurgin, die wir frühestens in zwei Tagen erreichen könnten.

Wir zahlen die Rechnung, verlassen das Krankenhaus um ein paar Krücken und mehrere Schmerztabletten reicher. Vom Schock gar nicht zu sprechen.

Nach wenigen Stunden Schlaf realisieren wir die Lage noch deutlicher. Michael übermittelt den Befund und die Röntgenbilder an die Versicherung, macht Frühstück, geht Einkaufen, kocht später wieder und recherchiert intensiv nach Ärzten. Ines liest ein paar Zeilen und schafft es trotz der Schmerzen immer wieder kurz einzunicken. Nach einigen Gesprächen und einer Internet-Recherche findet sich tatsächlich ein Spezialist in Swakopmund, also nur 40km entfernt. Ein Transfer für den kommenden Morgen wird organisiert, gegen Mitternacht kommt noch Antwort seitens der Versicherung: Der Arzt in Österreich empfiehlt nach Durchsicht der Unterlagen, einen sofortigen Rücktransport nach Österreich mit anschließender Operation.

Bevor am Montag morgen die Fahrt zum Chirurgen beginnt, organisiert Michi per Telefon noch die Entladung unseres Buses.

Der Spezialist in Swakopmund sollte sich als äußerst kompetent erweisen. Er sieht in der Operation an sich wenig Risiko, jedoch empfiehlt auch er, aufgrund der langen Nachbehandlung, dem Rücktransport nach Österreich.

Wir fahren zurück nach Walvis Bay wechseln das Taxi um wieder nach Swakopmund zum Orthopäden zu fahren, wo Ines eine professionelle Beinscheine erhält. Ines hält alle Strapazen aus, beisst auf die Zähne.

Am Nachmittag lassen wir uns zum Hafengelände bringen um den Bus in Empfang zu nehmen. Für Freude oder eine Inspektion bleibt leider keine Zeit. Der Bus läuft, die Unterstellmöglichkeiten werden besprochen  bevor Michael Samantha anruft. Sie kann uns Hilfe anbieten. Ab jetzt geht alles ganz schnell: wir verlassen die Lagerhalle, klären letzte Formalitäten mit der Spedition und fahren zum Bungalow. Die Entscheidung lautet, den schnellsten Weg nach Hause anzutreten. Ines und das Gepäck werden verstaut, letzte Bedenken der Einheimischen in Punkto Sicherheit zerschlagen. Wir verlassen gegen 17:45 Walvis Bay, fahren auf linker Spur gemeinsam zurück nach Windhoek. In unseren Bus - mit der tiefstehenden Sonne im Rücken. Quer durch Namibia. Romance meets Drama...

Nach einem einzigen Stopp erreichen wir kurz vor Mitternacht Samanthas Guesthouse.

Ein großes Bett und ein Glas Rotwein wartet auf uns. Michael erhält noch rechtzeitig Nachricht, dass die Versicherung die Kosten des Rückfluges übernehmen wird.

Am Morgen ruft Ines zum ersten Mal Zuhause an, sagt Bescheid dass wir zurückkommen. Ein paar Tränen fließen. Michael kümmert sich um den Bus, inspiziert und arrangiert das Gepäck neu während Ines von Samathas Tochter unterhalten wird.

Am späten Nachmittag verabschieden wir uns, drücken Samantha innig, verlassen Windhoek, verlassen Namibia, verlassen Afrika. Zehn Tage nach dem wir angekommen sind.

In Schwechat wartet bereits ein Rettungswagen, der uns ins Krankenhaus bringt. Ines wird erfolgreich operiert.

Was wir in diesen wenigen Tagen erlebt haben, fällt uns noch immer schwer zu glauben. Es waren grenzwertige Erfahrungen.

Diese eine Grenze zwischen Glück und Unglück kann besonders schmal sein...

Es dauert lange, bis wir diese Zeilen schreiben.

Fest steht: Wir werden nach Namibia zurückkehren, wenn auch mit Verspätung.

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Kommentare: 2
  • #1

    Xandi (Montag, 11 Dezember 2017 22:37)

    Wieder Erste!
    Kenn zwar die Story aber ihr habt sie hier ausführlicher geschrieben und die Bilder sind toll! Drück euch ganz fest und möge das Bein schnell wieder fit werden! �

  • #2

    Ella (Dienstag, 12 Dezember 2017 21:27)

    Toll geschrieben & die Fotos sind mega! Ich bin der Meinung, dass nichts ohne Grund passiert. Freue mich sehr für euch, dass das Abenteuer ganz bald wieder weiter geht!! :)