Schlaglöcher und Arschöcher
Die natürliche Grenze zwischen Zimbabwe und Sambia bildet der Sambesi. Genau 128 Meter darüber, in der Mitte der Victoria Falls Bridge, betreten bzw. befahren wir Neuland. Während die Formalitäten zur Ausreise aus Zimbabwe relativ zügig vorangehen, wartet am anderen Ende der Brücke bereits eine Ansammlung von Schiebern auf Reisende. Unser Auto, unser Kennzeichen und eventuell unsere Hautfarbe verraten uns sofort. Mehrere Burschen laufen neben dem Bus her, deuten auf einen Parkplatz. Demonstrativ fährt Michi weiter um sich direkt vorm Zollgebäude einzuparken. Als wir aussteigen reden vier Typen simultan auf uns ein um uns beim Grenzübertritt “zu helfen“. Die Jungs gehen auf Tuchfühlung und sind dabei so nervig, dass Michael ihnen eine recht forsche Absage erteilen muss. Kurz erstaunt über den Umgangston, schütteln sich die Quälgeister und versuchen erneut, uns zu den Schaltern zu begleiten. Eine weitere deftige Absage bewirkt zumindest etwas Abstand. Eine Zollbeamtin ist auffallend gut drauf. Sie hievt ihren riesigen Bauch über den Tisch, erzählt uns lautstark und mit krächzender Stimme von der bevorstehenden Geburt. Nach einer Stunde sind wir auch ohne fremde Hilfe mit allen Formalitäten durch und wollen losfahren. Die Burschen, die vorher zurückgewiesen wurden, rangeln sich erneut um den Bus und wollen auch ohne Leistung Geld sehen. Wir starten den Motor, öffnen das Fenster und sind sogar bereit ein paar Münzen zu hinterlassen. Als einer der Typen die Münzen sieht schüttelt er den Kopf. Er meint, dass reicht höchstens für Süßigkeiten. Dann halt nicht. Frechheit verliert in diesem Fall – wir starten den Motor und fahren ohne Rücksicht los.
Am anderen Ufer des Sambesi erreichen wir Livingstone, Sambias Pendant zu Victoria Falls. Benannt nach dem britischen Forscher David Livingstone, präsentiert sich die Stadt aufgeräumt und entspannt. Mehrere Supermärkte locken, auch die Preise sind wieder moderat. Erfolgreich stocken wir Vorräte auf und beheben Bargeld. Unser erstes Ziel in Sambia ist noch 300 Kilometer entfernt, das Navi berechnet die Fahrzeit mit etwa 4 Stunden. Tatsächlich lassen sich die ersten 100 Kilometer relativ gut bewerkstelligen. Dann verwerfen wir die Hoffnung, dass die Fahrtzeitprognose auch nur annähernd realistisch ist. Der Schwerverkehr in Form unzähliger Trucks wird immer dichter. Großteils beladen mit Kupfer aus der Zentralregion, Baumstämmen oder Treibstoff nutzen täglich zigtausende Lastwägen Sambia als Transitstecke. Der Blick nach vorne verrät, dass sich die Hälfte dieser Trucks vor uns angestaut hat. Jede noch so kleine Ortschaft ist obendrein mit mehreren Bremshügeln ausgestattet. Der vorderste LKW bremst sich ein und eine endlos lange Schlange entsteht. Verschont von der Langsamkeit sehen sich nur die Busfahrer, die ihre chinesischen Fabrikate über die Bremshügel fliegen lassen. Ein Vorankommen wird schwierig, da es an Teamwork und vor allem Glück bedarf, um mehrere Trucks überholen zu können. Ines spielt wie immer Giraffe und versucht mit langgestrecktem Hals Gegenverkehr zu erkennen. Zur Unterhaltung dienen uns immerhin die Aufschriften an den Frontscheiben der Trucks und örtlichen Kleinbusse. Zumeist stellen sie damit ihren Glauben zur Schau. Beschriftungen wie “The Power of Jesus“, “The Lord is my sheperd“ und “Allah is everywhere“ werden noch mit Adidas- oder Nike-Stickern verziert. Ein dunkler Truck mit der riesigen Aufschrift “Jihad“ kommt uns entgegen. Ines ist froh dass der LKW in die Gegenrichtung unterwegs ist. Alternativ zur Hauptreligion, wird die Nebenreligion gehuldigt: verschiedene Varianten von “Manchester United“ oder “Liverpool FC“ kreuzen unseren Weg.
Als es kurz zügiger voran geht, folgt die erste Straßensperre. Um den Stopp zu markieren, werden leere Fässer verwendet, die die Autoritäten mitten auf der Fahrbahn platzieren. Das unschöne Szenario kann sowohl von der Polizei, der Verkehrspolizei, dem Militär oder sogar Bezirksvorstehern praktiziert werden. Wenige Worte werden gewechselt, wir können weiterfahren. Als der Regen einsetzt sind wir noch keine 200 Kilometer, aber bereits vier Stunden unterwegs. Unzählige langgestreckte Ortschaften lassen sich nur schleichend passieren. Trotzdem ist Vorsicht geboten. Immer wieder rauschen Busse an uns vorbei, Trucks bleiben abrupt auf der Straße stehen und alle paar Kilometer verursachen Wracks geschickte Ausweichmanöver. Als wir knapp vor Sonnenuntergang unser Camp erreichen, steht uns die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben. Mehr als sieben Stunden konzentrierter Fahrt belohnen wir mit einer großen Portion Abendessen bevor wir ausgelaugt ins Bett fallen.
Seltsame Geräusche ertönen um unseren Bus, als wir frühmorgens aufwachen. Wir öffnen die Tür und beobachten wie mehrere Pferde genüsslich vor und unter unserer Markise grasen. Die Motivation, sofort wieder aufzubrechen, hält sich in Grenzen. Als sogar etwas Sonne den Vormittag erhellt, beschließen wir noch eine Nacht zu bleiben. Zwischen der grasenden Herde trinken wir Kaffee und entdecken etwas Spektakuläres am Himmel. Ines kann rund um die Sonne einen kreisförmigen Regenbogen erkennen. Ein sogenannter Halo-Effekt. Mit zugekniffenen Augen hinter den Sonnenbrillen, zeichnen wir den Kreis mit unseren Fingern nach. Trockenes Feuerholz fürs Abendessen wird noch rechtzeitig gesammelt, bevor sich mittags wieder der Himmel verdunkelt. Am Abend wird bei strömenden Regen draußen gekocht um dann mit halbtrockener Kleidung drinnen zu schmausen.
Am kommenden Morgen brechen wir nach Lusaka auf. Wir wollen mittags in der einzigen Mercedes Werkstatt zwischen Windhoek und Nairobi unseren Bus inspizieren lassen. Nach dem geglückten Tausch der Stoßdämpfer ist noch ein dumpfes Geräusch zu hören und wir möchten einen Experten zu Rate ziehen. Der Experte heißt Carsten, ist Deutscher und führt seit einigen Jahren eine Werkstatt am Stadtrand von Sambias Hauptstadt. Wieder einmal lässt uns das Navi im Stich. Die angegebenen drei Stunden Fahrzeit sind nur per Helikopter nachvollziehbar. Nach passablen, aber Schlagloch übersäten Kilometern erreichen wir die Stadt Masabuka. Ab dort ist ein Vorankommen kaum möglich. Die Straße, oder was davon übrig ist, ist in sich zerfallen und nur mehr zur Hälfte mit Asphalt bedeckt. Die andere Hälfte formen knietiefe Krater die obendrein mit Wasser gefüllt sind. Mehr als 70 Kilometer ist dieser miserable Straßenabschnitt lang. Eine alternative Route gibt es nicht. Immer wieder müssen wir stoppen und den besten Weg um die Löcher suchen. Sogar einige Straßenarbeiter sehen wir auf der Route. Ganz nach dem uncharmanten afrikanischen Klischee, arbeitet tatsächlich immer nur Einer, während sieben andere Arbeiter ihm zusehen. Als dieser Eine bei unserem Anblick auch noch die Schaufel fallen lässt, um per Gestik nach Essen zu betteln, schäumt Michael vor Wut. Ines muss sich einige Kraftausdrücke anhören und kann denen leider nur zustimmen. Über zwei Stunden Qual und Folter müssen unser Reisegefährt und seine neuen Stoßdämpfer ertragen. Als wir die letzte größere Stadt vor Lusaka erreichen, sind wir bereits knapp 4 Stunden unterwegs. Mehr als doppelt so lange, wie das schlaue Navi berechnet hat.
In der Ortschaft Kafue machen wir Bekanntschaft mit einem besonders penetranten Exemplar eines Polizisten. Die Vollständigkeit unserer Papiere interessiert ihn nicht. Viel mehr möchte er wissen, welche “Geschenke“ wir ihm aus Österreich mitgenommen haben. Wir entgegnen schlagkräftig mit "Regenschauer“, was dem Beamten gefällt, aber nicht glücklich macht. Er erkundigt sich nach unserem Glauben und fragt ernsthaft nach, ob wir auch das Buch Gottes mit uns führen. Jetzt dreht Michi den Spieß um und erklärt dem Polizisten, dass er als frommer Christ doch wissen müsse, dass man Gott immer mit sich trägt – im Herzen, ganz ohne Bibel. Etwas beschämt lässt der korrupte Beamte von uns ab und wir passieren. Als wir Minuten später den Triumph noch genießen, werden wir abermals von der Polizei angehalten. Angeblich sollen wir zu schnell gefahren sein. Ein weiteres Fahrzeug wird angehalten, der Lenker hüpft noch vor Michael aus dem Auto und schimpft mit den Polizisten. Auf diesen Zug springt Michi ebenso auf und gibt sich aggressiv. Irgendwo im Nirgendwo soll im Busch eine verrostete Tafel auf eine 40 km/h Beschränkung hinweisen. Tatsächlich wird Michi auf einem kleinen Camcorder ein Video mit der belastenden Geschwindigkeit von 51km/h vorgezeigt. Ein Strategiewechsel muss her. Michael wird zum Chief Inspector geschickt, der abseits der Straße im trockenen Polizeiauto seine Tageszeitung liest. Der strenge Polizist droht mit Strafe und Michi drückt auf die Tränendrüse. Er erzählt von dem vorangegangenen Gespräch mit dem Kollegen und dem gemeinsamen Glauben an Gott. Die kabarettreife Vorstellung erreicht ihren Höhepunkt als Michael berichtet, erst am Morgen zu Gott gesprochen zu haben um eine sichere Reise zu erbitten. Der Uniformierte fragt tatsächlich nach, wie oft wir denn mit Gott sprechen. „Jeden Tag, nicht nur in der Kirche, auch vor jedem Arztbesuch spreche ich mit dem Allmächtigen“ antwortet der (neu-)fromme Michael. Als Draufgabe bedient er sich einer beliebten Truck-Aufschrift und beteuert: „the lord is my sheperd“. Schwer beeindruckt oder vielleicht auch nur genervt ob der unzähligen Glaubensbekenntnisse, beschließt auch dieser Polizist ein guter Christ zu sein und uns ohne Strafe weiterziehen zu lassen. Zurück im Bus bekommt Ines den Dialog nachgeliefert. Es fällt uns schwer, vor lauter Lachen nicht von den Sitzen zu fallen.
So kommt es, dass wir trotz Strapazen und Verspätung halbwegs gut gelaunt bei Carsten in Lusaka eintreffen. Der Regen hämmert laut auf das Wellblechdach der Werkstatt, als wir mit ihm die weitere Vorgehensweise besprechen. Der sympathische Mechaniker schlägt uns aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit vor, Morgen früh nochmals zu kommen um ausreichend Zeit für eine Inspektion zu haben.
Ein kleiner Supermarkt versorgt uns noch mit etwas Obst, bevor wir unser Nachtlager erreichen. Überraschenderweise sehen wir gerade am Rand der einzigen Millionenstadt Sambias die ersten wilden Tiere. Wie ausgestorben, sind uns auf den vergangenen 500 Kilometern überhaupt keine Tiere begegnet. Nicht mal Paviane oder Warzenschweine haben sich auf die Straße verirrt. Im Eureka Camp hingegen parken wir unseren Bus direkt neben einer Herde Zebras. Eine Meerkatze turnt am Baum und im Gebüsch sind Wasserböcke zu erkennen. Den Tieren machen die heftigen Regenfälle offensichtlich weniger aus. Wir sitzen dick eingepackt nebenbei und frieren, während wir essen.
Am Morgen geht es zurück in die Werkstatt. Carsten dreht selbst eine Runde und checkt den Bus anschließend mit zwei Mechanikern durch. „Alles in bester Ordnung“ meint er. Dem Grummeln liegt kein Mangel zu Grunde. Wir bedanken uns, lassen ihm eine freiwillige Spende zurück und wollen im größten Supermarkt der Stadt noch mal ordentlich zuschlagen. Als wir den Einkaufstempel finden, wundern wir uns zuerst über den leeren Parkplatz. Als wir abbiegen wollen, erkennen wir dass dieser vollständig geflutet ist. Ein einziges Auto quält sich durch. Das Wasser bedeckt die Hälfte seiner Reifen und wir beschließen, den nahen Untergang nicht weiter zu verfolgen. Eine Alternative wird schnell gefunden bevor wir das Stadtzentrum von Lusaka erreichen. Die Verkehrsbedingungen sind ohnehin chaotisch genug, aber was wir hier erleben, sprengt jeden Rahmen. Ohne Rücksicht auf Verkehrszeichen oder Ampeln kämpfen die Autofahrer ums Vorankommen. Aus einer zweispurigen Fahrbahn wird eine vierspurige gemacht. Wer ganz rechts fährt, schert ohne Blinker plötzlich nach links aus und umgekehrt. Michi löst die problematischen Kilometer auch auf afrikanische Art, während Ines mehrere Highlights auf Video festhält. Kaum zu glauben, dass wir keinen Unfall live erleben. Oft trennen Fußgänger, Autofahrer und Mopeds nur Millimeter. Wir schaffen in der ersten Stunde immerhin vier Kilometer Distanz. In der zweiten Stunde dann doppelt so viel.
Endlich draußen aus Lusaka stehen weitere 250 Kilometer Strecke an. Die folgenden Polizei-Checkpoints werden insofern besonders frustrierend, als dass uns mehrere Beamte, unverblümt und mit Nachdruck, nach Spenden oder Gaben fragen. Mit einem Gewehr im Arm, oder einer Pistole am Gürtel versuchen die Ordnungshüter uns einzuschüchtern. Geduldig können wir uns jeweils aus der Affäre ziehen, während wir innerlich vor Wut und Unverständnis kochen. Nach insgesamt acht uncharmanten Straßensperren und weiteren vier Stunden Fahrt erreichen wir unser Ziel bei angehender Dunkelheit.
Erschöpfung macht sich bei uns beiden breit. Nicht nur die vielen Stunden schwieriger Fahrt, sondern auch der Frust über die Einheimischen nimmt neue Dimensionen an. Abgesehen von den korrupten Polizisten sind auch die Menschen, denen wir am Weg begegnen, offensichtlich anders. Während uns in Zimbabwe noch Kinder und Erwachsene zugewinkt haben, erhalten wir in Sambia selbst von den Kleinsten böse Blicke oder abfällige Gesten. Kurzum, wir sind enttäuscht.
Genau zur richtigen Zeit begegnen wir am Abend einem besonderen Exemplar Sambias. Dr. Ian Nzali bewohnt diese Tage nur wenige Schritte neben unserer Campsite eine gemauerte Rundhütte. Michael läuft eher zufällig in ihn hinein, als er mit dem Nachtwächter nach dem Passwort fürs Internet sucht. Ian bietet an, einen Hotspot zu errichten und lädt uns obendrein auf eine Flasche Wein ein. Der Herr Mitte Fünfzig bringt locker 150 Kilo auf die Waage und bewegt sich dementsprechend träge. Umso ansteckender ist sein Lachen und die gute Laune, die er verbreitet. „Ohhh, you are from Austria“ sagt er. „I know both, the Karlsplatz and the Stephansplatz“ fügt er mit einem breiten Grinsen hinzu. Nicht nur ist er der erste Sambier, der Österreich nicht für Australien hält, der Mann war auch schon zu Gast in unserer Heimat. Als Lektor an der Universität von Lusaka pflegt er beste Beziehungen zu vielen Entscheidungsträgern und ist regelmäßig mit sambischen Delegationen auf Reise.
Ian stellt uns seine Assistentin Lombe vor, die gleichzeitig seine Lebensgefährtin ist. Er ist ebenso frisch aus Lusaka angereist, um morgen mit einem wichtigen Stammesvertreter zu sprechen. Stolz erzählt er, dass er überallhin sein eigenes Internet, sein eigenes Essen und vor allem seinen eigenen Wein mitnimmt. Er vertraue sambischen Gaststäten nicht und möchte immer auf Nummer sicher gehen. Sein selbst mitgebrachtes Fleisch lässt er sich dann auch gleich auf seiner Terrasse vom ansässigen Koch zubereiten der ehrfürchtig die wertvollen Steaks auf einem mobilen Grill wendet. Dazu wird eine gute Flasche Rotwein geköpft. Dann noch eine weitere. Seine Freundin bedient uns, während der sympathische Ian uns unterhält. Als er von Ines Berufswahl erfährt kann er sich vor Lachen kaum halten. Dass gerade er von den Augen einer Diätologin seine Steaks verspeist, nimmt er mit Humor. Wir erzählen von den frustrierenden Polizei Checkpoints, den Schlaglöchern und den vielen bettelnden Kindern. Er weiß um die Missstände in seiner Heimat und kann viele unserer Schilderungen bestens nachvollziehen. Als es spät wird, spricht er eine Einladung für den folgenden Abend aus. Ohne darüber gesprochen zu haben, ob wir eine weitere Nacht im Camp verbringen wollen, sagen wir zu.
Tatsächlich schlafen wir am nächsten Tag lange und ausgiebig und kommen um eine weitere Nacht nicht herum. Lombe besucht uns zu Mittag, um unser mobiles Heim von innen zu sehen. Gerne würde sie Ian überreden auch einen Campingbus zu kaufen. Wir spendieren einen frischen Kaffee und tratschen über afrikanische Sitten.
Am Abend erwarten uns weitere heiterere Momente mit dem fleischgewordenen Glücksbärchen Ian. Sein ansteckendes Lachen, seine freundliche Teddybär Erscheinung und der gebildete Kopf dahinter symbolisieren für uns das, was wir uns für dieses Land wünschen. Seine Augen werden groß, als er uns von seinem liebsten Hobby berichtet: James Bond Filme und der jeweilige Soundtrack faszinieren den Mann. Michaels Sympathie für Sean Connery teilt er nur bedingt. Roger Moore sei der beste Darsteller des legendären Agenten, meint Ian. Dann zählt er alle Filme chronologisch auf, ohne dabei den jeweiligen Bösewicht, das jeweilige Bond-Girl oder das zugehörige Titellied auszulassen. Seine zweite Leidenschaft ist Rotwein. Jeden Monat lässt er sich etliche Flaschen aus Südafrika liefern. Dabei sammelt der gute Ian nicht, er trinkt den Wein und nutzt jede Gelegenheit die Flaschen mit Gästen zu teilen. Wir zeigen ihm Ausschnitte unserer Homepage, die er freudig durchstöbert. Es wird viel gelacht bevor wir uns verabschieden.
Der Wecker läutet uns früh aus dem Bett, um uns noch von unseren neuen Freunden verabschieden zu können. Eine herzliche Umarmung und ein Selfie später, ist es der Gastgeber, der sich für die Gesellschaft bedankt. Er bittet uns, das gemeinsame Foto nicht online zu stellen. Im Internet möchte er sich selbst nicht bildlich wiederfinden – wir bedauern und respektieren seinen Wunsch. Zum Abschied meint er, dass er um die vielen Herausforderungen wisse, die uns in Afrika noch erwarten können. Seine Einladungen sollen uns als Kompensation dienen und positive Erinnerungen an Sambia wecken. Was für ein prächtiger Kerl, dieser Dr. Ian Nzali. Am Rückweg durch Sambia wollen wir ihn gerne wieder besuchen.
Unser weiterer Weg führt uns stetig nach Norden. Vorbei am Copperbelt, der Grenze zum Kongo und hinauf zum ostafrikanischen Grabenbruch. Kaum 20 Minuten nachdem wir das Camp verlassen haben, wartet auch schon wieder der nächste frustrierende Checkpoint. Wir verbringen wiederum fast den ganzen Tag im Fahrzeug und gönnen uns nur einen kurzen Stopp. Keiner der korrupten Beamten bekommt an diesem Tag ein Geschenk, nicht von uns zumindest.
Mpika heißt die letzte größere Ortschaft vor der Grenze zu Tansania. Immer noch knapp 370 Kilometer entfernt, bewirkt die Nähe zum Nachbarland zumindest eine optische Veränderung. Das landschaftlich ebene und eintönige Sambia wird hügeliger. Auch der Regen lässt nach. Auf der Campsite sind wir wieder die einzigen Gäste und genießen die Ruhe. Der Betreiber namens Andreas ist ein Deutscher, den es vor über zwanzig Jahren im Zuge eines Entwicklungshilfe Projekts in diese Ortschaft verschlagen hat. Mit seiner sambischen Frau hat er eine kleine Lodge samt Camp und Bar aufgebaut. Zu unserem Abendessen gesellt er sich dazu und gibt uns unaufgefordert seine Lebensgeschichte preis. Dabei blickt er oft zynisch und resignierend auf seine neue Heimat. Die vielen wilden Tiere, die das Land einst beheimatete, seien der Armut der Menschen zum Opfer gefallen. Selbst Paviane oder Vögel werden als Nahrung herangezogen. Das Bildungsniveau der Einheimischen sei das schlechteste ganz Afrikas, meint der Aussteiger. Zu viele Männer vertreiben ihre Zeit mit Saufen und Fremdgehen. Den Präsidenten hält Andreas für einen faulen Obergauner. Gleichzeitig erfreut er sich seiner privaten Situation und möchte nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Seine Erfahrungsberichte sind subjektiv und vielleicht auch etwas überspitzt. Was die wenig gebildeten Menschen und die fehlenden Tiere betrifft, haben wir bisher, bis auf wenige Ausnahmen, leider ähnliches wahrgenommen.
Ein letztes Camp vor der Grenze wollen wir noch erreichen, bevor wir Michis Lieblingsdestination Tansania erreichen. Es dauert keine 20 Minuten bevor wir wieder vor einem Fass zum Stehen kommen. Der junge Nichtsnutz mit Gewehr möchte unbedingt ein “Geschenk“ von uns. Als Michael ihn fragt, warum er denn keinen der reichen Einheimischen nach Gaben fragt, entgegnet der Bursche frech: „I only ask the white people“. Michi kocht wieder vor Wut. Wir bleiben stur und warten bis der Bursche aufgrund des ungeduldigen Folgeverkehrs den Schranken öffnet.
Gleichzeitig haben wir im Stillen einen Entschluss gefasst: Sambia und seine korrupten Beamten können uns kreuzweise. Wir wollen noch am selben Tag Tansania erreichen. Mit etwas Glück erreichen wir die Grenze vor 16:00 um das Prozedere bei Tageslicht hinter uns zu bringen. Die schlaglochübersäte Straße macht uns einen Strich durch die Rechnung. Michi gelingt es, den Bus reflexartig um die tiefen Löcher zu winden. Dabei fühlt er sich wie Marcel Hirscher, der gerade einen Ausfall verhindern kann, um dann doch mit Bestzeit ins Ziel zu kommen. Leider gibt’s auf unserer schmalen Piste regen Gegenverkehr in Form riesiger Trucks und Busse, die dem Gesetz des Stärkeren folgen. Oft müssen wir anhalten und den Gegenverkehr passieren lassen, um dann drei Meter versetzt weiterzukommen. Einen einzigen kurzen Stopp legen wir hin um die Beine auszuschütteln und etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Drei kleine Mädchen umschwärmen uns dabei schüchtern. Ines gibt ihnen jeweils eine Handvoll Erdnüsse. Die Kinder freuen sich, bedanken sich höflich und drehen sich immer wieder kichernd um, während sie weiterziehen.
Die letzten 200 Kilometer fühlen sich wie 2000 Kilometer an. Kein Weiterkommen und keine Minute in der kein tiefes Loch darauf wartet uns zu verschlucken. Dazu sechs weitere Straßensperren, die wir passieren müssen. Ein wildes Tier bekommen wir doch noch zu Gesicht: Eine grellgrüne Schlange windet sich blitzschnell vor unserem Bus über den Asphalt. Nur zwanzig Meter dahinter spazieren Kinder durchs Gebüsch. Im Grenzort Nakonde angekommen, spielen sich chaotische Szenen ab. Trucks, Autos, Mopeds, übervoll beladene Radfahrer und Fußgänger nutzen die gleiche schmale intakte Spur um vorwärts zu kommen. Dabei wird gehupt, touchiert, geschimpft und um jeden Zentimeter gekämpft. Die zwei Polizisten am Straßenrand sind intensiv mit ihren Smartphones beschäftigt, was wenig zur Verkehrsordnung beiträgt. Gegen 17:00 rollen wir beim Grenzübergang ein. Mindestens fünf Menschen springen auf, als sie unseren Bus sehen und laufen nebenbei her. Dabei schreien und winken sie, um sich dann obendrein durch Schläge auf die Karosserie bemerkbar zu machen. Michael lässt die Scheibe runter und brüllt den Übeltäter an. Die anderen folgen weiter. Wir stellen den Bus in der Menschenmenge ab und versuchen möglichst rasch die richtigen Gebäude zu finden. Drei Burschen laufen neben uns her, wollen uns Geld wechseln, Versicherungen verkaufen und auf den Bus aufpassen. Das letzte Service nehmen wir in Anspruch. Die Anderen folgen uns trotzdem weiter auf Schritt und Tritt. Zu verlockend scheint ihnen die Chance, von naiven Weißen etwas Geld zu kassieren. Es wird dunkel und Unmengen von Gestalten bewegen sich zu Fuß zwischen den Grenzposten. Dazwischen gelingt es uns die ersten Formalitäten zu absolvieren. Die Beamten der tansanischen Zollbehörde lassen uns warten. Als wir gegen 19:30 dran kommen, müssen wir leider doch auf die Dienste eines Schiebers zurückkommen. Die Behörde verlangt Steuerabgaben für Treibstoff und Straßenbenutzung in US Dollar. Die haben wir zwar, jedoch muss die Bezahlung per Kreditkarte erfolgen. Die haben wir ebenso, jedoch keine die sie akzeptieren. Lediglich der Besitzer eines einheimischen Kontos kann per Karte bezahlen. Bei diesen stupiden bürokratischen Hürden wundert es uns sich, dass so viele Schieber herumlungern. Einer von vorhin wird herbeigeholt. Wir handeln mit ihm einen akzeptablen Wechselkurs aus und bringen gleichzeitig die letzte Hürde hinter uns. Es ist stockdunkel als wir zurück zu unserem Bus kommen. Der Aufpasser erhält ein paar Scheine, der Rest der Meute, dicht auf unseren Fersen, drängt ebenso nach Entlohnung. Zwei Burschen, die tatsächlich hilfreich waren, bekommen etwas. Der Rest schreit uns noch lange nach.
Sambia lassen wir hinter uns. Es wird wohl kaum unser liebstes Reiseland werden. Die wenigen Nationalparks entlang unserer Strecke waren aufgrund des Regens nicht
zugänglich. Die Hauptverkehrsroute ist in katastrophalem Zustand. Korruption ist allgegenwärtig und die Menschen wenig einladend. Umso heller leuchtet die Begegnung mit Dr. Ian Nzali, der mit
seinem Humor und seiner Gastfreundschaft tatsächlich so manche schlechte Erfahrung kompensieren konnte.
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Xandalph (Sonntag, 04 März 2018 22:24)
Drücken euch ganz fest ihr zwei!! Bussis
Ula & Josef (Montag, 05 März 2018 13:40)
Ihr Lieben, habt ja die Strecke gut gemeistert, muß nervlich sehr aufreibend gewesen sein! Aber wichtig, dass ihr gut durch gekommen seid. Wünschen euch für eure weitere Fahrt bessere Erfahrungen. Alles Liebe Ula und Josef
alfons und irene (Donnerstag, 08 März 2018 12:06)
wenn ich eure zeilen so lese, erinnere ich mich an südafrika, als ich 2 jahre dort gelebt habe, und auch viele reisen unternommen habe, allerdings alles von apartheid begleitet. ich beneide euch um die vielen erlebnisse...
viel spaß weiterhin und kommts xund heim,
unsere gedanken begleiten euch
glg alfons und irene
Anton (Donnerstag, 08 März 2018 12:42)
Hey ihr zwei Verrückten...! :)
Kann es kaum erwarten einen neuen Blog von euch zu lesen...und möchte mir hier an dieser Stelle 1000mal bei euch zwei Lieben bedanken, dass ihr mir mit eurem Blog hier die Möglichkeit gebt, euch überall hin zu folgen...zumindest im Geiste...und das ist genial und hilft unendlich, dem Tristen Dasein im grauen österreichischen Winter und wenn auch nur für ein paar Augenblicke, zu entfliehen!!!
Gaaaanz liebe Grüße aus Ironcity und nie vergessen ..
PURA VIDA SENORES y abrazos fuertes !!!