Im Land der Baobabs

Stockdunkel in Tansania

Angekommen in Tansania sehen wir schwarz. Es ist stockdunkel in der Grenzstadt Tunduma. Nur die Scheinwerfer von Mopeds und dreirädrigen Tuk-Tuks bringen etwas Licht ins Dunkel. Gleichzeit lässt sich am Geräuschpegel erahnen, dass rund um uns reger Betrieb herrscht. Tatsächlich pilgern überall am Straßenrand Menschen durch die Dunkelheit. Ines wirft einen Blick aufs Handy und realisiert, dass wir obendrein in einer neuen Zeitzone angelangt sind. Es ist nach 21:00 und unser geplantes Nachtlager bei Mbeya noch über 100 Kilometer entfernt. „Is a scho wurscht“ lautet die Devise nach den Strapazen des Tages. In der Dunkelheit geht’s immer wieder steil bergauf und dann steil hinunter. Von der Umgebung können wir so gut wie gar nichts erkennen. Ob wir neben einer Vulkankette oder einem Kraftwerk entlang fahren, weiß auch unser Navi nicht. Immerhin hält der Asphalt Tansanias schon mal besser zusammen, als der in Sambia. Nie wollten wir so spät nachts unterwegs sein, nie so weite Distanzen am Stück hinter uns bringen. Ein glückliches Ende erwartet uns kurz vor Mitternacht, als der Nachtwächter das Tor zur Campsite in Mbeya öffnet. Der Mann deutet auf eine Wiese, umgeben von langgestreckten Gebäuden, wo wir unser Lager errichten dürfen. Eine Toilette finden wir am Gelände, die mitternächtliche Dusche dürfen wir sogar in einem leeren Gästezimmer verrichten. Wir setzen uns vor dem Schlafengehen noch unter den Sternenhimmel, sprechen wenig, tauschen Blicke aus und verstehen einander bestens. Ein endlos langer Tag findet sein stilles Ende unter den leuchtenden Himmelskörpern. Wir sind in Tansania, ab jetzt darf es wieder bergauf gehen.

Eine ungetrübte Morgensonne bannt sich ihren Weg durch unseren Vorhang und weckt uns sanft. Der Weg zur Morgentoilette bringt jede Menge Erkenntnisse: wir stehen auf einer baumlosen Wiese inmitten eines Konferenzzentrums direkt neben einem kleinem Spielplatz. Hinter den Gebäuden erkennen wir eine Bergkette, die sich sanft am Horizont entlang streckt. Beim Frühstückskaffee bringen wir anhand zweier Bücher etwas mehr in Erfahrung, was die Landschaft betrifft und entdecken sogar einen beliebten Aussichtspunkt am Rand der Bergkette. In entgegengesetzter Richtung befinden sich zwei Vulkane die bestiegen werden können. Die (touristisch unbekannten) Gipfel rund um Mbeya liegen an den südlichen Ausläufern des ostafrikanischen Grabenbruchs und sind allesamt zwischen 2000m und 3000m hoch. Wir entscheiden uns, nach einem Besuch am Markt, den “World’s End Viewpoint“ mit dem Bus zu erreichen um am Abend am Rande einer Kaffeeplantage zu campieren.

Am Markt kaufen wir zu einem Spottpreis prächtige Ananas, Bananen und Mangos bevor wir die Serpentinen zum Aussichtspunkt hochklettern. Der Bus schlägt sich trotz der Steigung prima und wir erreichen das Plateau zur Mittagszeit. Die Aussicht teilen wir uns mit zwei jungen Hirten und ihren Kühen. Aus dem überstrapazierten Lautsprecher ihres Handys dröhnt mehrmals hintereinander das gleiche schnulzige Lied, zu dem die Beiden synchron summen.

Zurück in Mbeya  wollen wir die Utengule Coffe Farm erreichen. Außer frischen Bohnen, gibt’s dort eine schicke Lodge mit angeschlossenem Campingplatz. Knapp 5 Kilometer vor unserem Ziel beschließen wir jedoch umzudrehen. Die Zufahrtsstraße ist in dermaßen kaputten Zustand, dass nur Allradfahrzeuge mit risikoorientierten Fahrern einen Versuch wagen sollten. Aufgrund dieser fehlenden Info vorab, verlieren wir jede Menge Zeit und beschließen direkt in Mbeya nach einem Stellplatz zu suchen. Die Suche verläuft nicht optimal. Das nächste Camp entlang unseres Weges sollte jedoch noch vor Sonnenuntergang zu erreichen sein. Am Ortsende schrecken wir plötzlich auf. Ein lautes Geräusch aus dem Motorraum ist für wenige Sekunden zu hören. Die Schweißperlen auf Michis Stirn verdoppeln sich augenblicklich. Dann ertönt das Geräusch wieder, bevor einige Minuten lang wieder Ruhe einkehrt. Bei dritten Mal ist es so laut, dass wir Angst haben, der Bus zerfällt. Ein Parkplatz muss her. Wir finden eine aufgelassene Tankstelle, direkt an der Hauptstraße, wo wir unseren Bus zur Ruhe kommen lassen. Auch die geöffnete Motorhaube bringt keine Klarheit. Ines entfernt den Luftfilter und Michael legt sich unter den Motor um sich einen Überblick zu verschaffen. Ein Truckfahrer nutzt den Ort ebenfalls um zu rasten und erkundigt sich nach unserem Problem.  Wenige Momente später, bekommt Michi Gesellschaft im Sand und hantiert gemeinsam mit dem Fremden am Wagen. Es stellt sich heraus, dass der rechte Zusatzlüfter das laute Geräusch verursacht. Tatkräftig schlägt der Truck-Fahrer vor, das Teil auszubauen um die Lagerung des Lüfters neu zu schmieren. Die Begeisterung hält sich Grenzen. Schon zuhause haben wir im Zuge unserer Servicearbeiten erlebt, wie eng der Bus verbaut ist. Mehrere Teile müssen entfernt werden, um ein anderes zu erreichen. Dazu wird es bereits dunkel und unsere Lampen locken zahlreiche Moskitos an. Wir lassen uns vom afrikanischen Optimismus anstecken, worauf Michi mit seinem neuen Mechaniker Kollegen das vorhandene Werkzeug durchforstet. Die zwei Herren wälzen sich samt ihren Stirnlampen im Dreck und entfernen Schraube für Schraube. Es werden viele Schrauben entfernt, bis der Lüfter endlich zugänglich ist. Als dann der erste Versuch der Demontage scheitert, werden zwei weitere verdeckte Schrauben entdeckt. Ines hilft tatkräftig mit, liefert Werkzeuge und bereit nebenbei noch Abendessen am Feuer zu. Unbemerkt haben sich weitere Lastwägen zu uns gesellt. Mehr als zehn davon säumen die alte Tankstelle. Ein weiterer fremder Helfer packt kurz mit an und nach vier Stunden ist das Teil endlich ausgebaut. Dem Optimismus zum Trotz, hat der Helfer kein Schmierfett dabei, dafür versucht er das Rotorblatt mit dem Hammer rauszudreschen.  Michael legt lieber selbst Hand an, aber kann das Blatt ebenso wenig entfernen. Wir hängen den Lüfter direkt an die Batterie um festzustellen, ob die Behandlung zumindest etwas Laufruhe bewirkt hat. Tatsächlich läuft das Ding etwas leiser, wenn auch noch immer unrund. Mit dem unbekannten Helfer und mindestens zwanzig Moskitos, baut Michi den Lüfter wieder ein. Alle Hände werden gebraucht und Ines zerrt und drückt ordentlich mit. Kurz vor Mitternacht hängt alles wieder dort, wo es sein soll. Unser Nachtlager steht ebenfalls fest. Eingeparkt zwischen mittlerweile 20 Trucks werden wir die Nacht inmitten der Fernfahrer verbringen. Ines füllt die Schüsseln mit Pasta um die Männer zu entlohnen. Michael fragt den wortkargen Helfer nach seinem Namen. Marco kommt aus Sambia und fährt erst seit kurzem Trucks, da er trotz IT-Ausbildung keinen Job finden konnte. Wir bedanken uns für seine spontane Hilfe, zahlen seine Parkgebühr beim lokalen Eintreiber und geben ihm das Restgeld. Auch einige Essensvorräte bekommt er mit auf die Reise. Dann gönnt sich Michi im Bus eine Dusche. Aus dem sandbedeckten Geschöpf wird schließlich wieder ein sauberer Mensch.

Am Morgen erwartet uns keine Überraschung. Der Parkplatz ist leergefegt - alle Trucks sind bereits vor 6:00 losgestartet. Wir trinken unseren Kaffee alleine im Schatten des Busses, gehen die geplante Tagesetappe durch und hoffen auf möglichst ebene Strecken und kühlenden Regen. Es läuft überraschend gut, denn das gefürchtete Geräusch meldet sich erst nach über einer Stunde wieder. Am Straßenrand gönnen wir uns und dem Lüfter eine Pause. Erst als wir am Nachmittag unser Ziel erreichen, kann sich das defekte Teil nicht mehr halten und beginnt zu rattern. Unsere Campsite liegt kurz vor der Bezirkshauptstadt Iringa, wo wir bestimmt einen “Fundi“ finden können. Als “Fundi“ bezeichnet man in Tansania einen Experten. Wir brauchen einen Mechaniker-“Fundi“, der mehr als hämmern kann, etwas englisch spricht und obendrein zuverlässig ist.

Im Camp schaufeln wir wieder eine ebene Fläche aus, bevor wir uns mit der Umgebung und den Betreibern vertraut machen. Die Anlage ist erst im Aufbau aber ein Sanitärbereich und sogar Internetzugang wird geboten. Die deutsche Chefin ist nicht anwesend, dafür ihr tansanischer Mann Saedy. Der meint, er habe eben erst Datenmenge für den ganzen Monat gekauft. Wie viel das sei, wird ein Geheimnis bleiben, denn nachdem Ines ihrer Familie einen WhatsApp-Videoanruf abstattet, ist der Spaß nach nur fünf Minuten vorbei. Kein Internet mehr im Monat Februar, das war‘s. Michael erkundigt sich nach der Zufahrt in den Ruaha Nationalpark und erfährt, dass eine ordentliche Straße erst konstruiert wird. Schwer zu glauben, dass der mittlerweile größte Nationalpark des Landes, nur mit massiven Gefährten zugänglich ist. Immerhin schöpfen wir Hoffnung in Form verschiedener Safari Anbieter, die ihre Gäste in verstärkten Allradfahrzeugen in den Park bringen. Saedy lenkt ein und meint, die Anbieter sind alle überteuert und nicht zuverlässig. Gerne stellt er uns einen befreundeten Guide vor, der sogar Morgen in den Park unterwegs ist. Dass der kleingewachsene listige Herr ebenso etwas verdienen möchte, ist uns zu diesem Zeitpunkt bereits klar. Alle anderen Anbieter schlecht zu reden, ist jedoch eine bescheidene Verkaufsstrategie. So finden wir uns ein Stunde später zu viert an der Bar ein, um etwaige Optionen und Preise zu verhandeln. Der Guide stellt sich als Geoffrey vor und erzählt Berichte von seinen letzten Touren in den Ruaha. Morgen früh holt er eine dreiköpfige Familie vom lokalen Flughafen ab um anschließend 4 Tage im Park zu verbringen. Uns ist die Dauer um mindestens einen Tag zu lange, außerdem wollen wir den Preis drücken. Gleichzeitig wäre es verlockend komfortabel, uns direkt vom Camp abholen zu lassen und nichts weiter mehr organisieren zu müssen. Wir spielen guter Cop/böser Cop mit verdrehten Rollen. Michael, der böseste Cop in Sachen Verhandlungen überhaupt, spielt den verzweifelten guten Cop. Seine Partnerin sei leider die strenge Finanzministerin. Wir spielen erfolgreich und hinterfragen die Preise uncharmant detailliert.  Zu vergleichbar super günstigen Konditionen handeln wir drei volle Tage im Nationalpark aus. Obwohl wir nicht damit gerechnet haben, am Abend noch Rucksäcke zu packen, freuen wir uns auf die wilden Tiere und die vielversprechende Landschaft.

Wildnis im Ruaha Nationalpark

Am Morgen werden wir von Geoffrey etwas verspätet abgeholt. Im großen Landrover hat sich eine deutsche Familie bereits ausgebreitet. Wir nehmen ganz hinten Platz und lassen uns zwei Stunden lang heftig durchschütteln. Tatsächlich wäre die Zufahrt in den Park nicht für unseren Bus geeignet. Gegen 11:00 erreichen wir das Gate, bezahlen dort Eintritt und Nächtigungsgebühr direkt an die Parkbehörde. Die ersten Kilometer durch den Park bestätigen uns in unserer Vermutung: überall blühen Sträucher und Bäume – wir besuchen den Ruaha Nationalpark in einem der wenigen grünen Monate. Obwohl fürs Auge durchaus schön, haben wir bereits in Kenia die Erfahrung gemacht, dass Tierbeobachtungen (mit Ausnahme der großen Säugetiere) durch hohes Gras richtig schwer werden. An einer Brücke machen wir unseren ersten Halt. An markierten Punkten wie diesem, darf man im Park das Fahrzeug verlassen um seine Notdurft zu verrichten oder zu jausnen. Vor uns fließt der Great Ruaha River, namensgebend für den Park, breit und träge dahin. In den neun trockenen Monaten des Jahres schrumpft der Fluss auf wenige Meter Breite zusammen. Hippos, Krokodile und deren potentielle Beute tummeln sich dann am Ufer.

Bei einem kurzen Mittagessen, tauschen wir uns ein wenig mit unseren Mitfahrern aus. Die beiden Elternteile wirken optisch wie zwei Großwildjäger auf Pirschfahrt. Die Dame ist ausschließlich in besten Safariklamotten gekleidet, während der beleibte Mann obenrum immerhin ein Poloshirt mit der Aufschrift seines Golfclubs trägt. Die Tochter dazu wirkt spätpubertierend und obendrein besonders mitteilungsbedürftig. Keine Minute vergeht, in der sie nicht über einen selbsterzählten Witz in gellendes Gelächter ausbricht. Wir hätten zumindest ruhigere Gesellschaft erwischen können.

Als es danach weiter in den Park hinein geht, entdecken wir die ersten Tierherden. Antilopen und Wasserböcke teilen sich den wenigen Schatten unter den Akazien. Eine Giraffe latscht gemütlich durchs Gebüsch. Unser Fahrer Geoffrey entpuppt sich dabei als ungeduldige Natur. Nach nur wenigen Sekunden Stopp fährt er weiter, oder ignoriert manche Tiere zur Gänze. Wenig unterhaltsam ist auch die Konversation vor uns. „Daddy, hast du das Ding geil gecatcht?“ fragt die Tochter ihren Vater, als der eine Antilope fotografiert. „Daddy, was ist denn das fürn fettes Vieh?“ tönt es weiter. Der Herr “Daddy“ hat von den Tieren relativ wenig Ahnung, ist aber trotzdem um keine noch so falsche Antwort verlegen.

Am späten Nachmittag gibt’s ein besonderes Highlight. Eine Herde von über zwanzig Elefanten duscht und spielt im Fluss. Die Dickhäuter lassen sich trotz der Nähe unseres Fahrzeuges wenig stören. Auch das ständige verbale Gefurze vor uns, stört sie nicht. Wir beobachten aus der Nähe, wie ein Jungtier damit beschäftigt ist die Böschung hochzuklettern. Ein anderes Kleines spielt mit einem Ast im Wasser und übt seine Koordination. Am Ufer duschen sich die Erwachsenen mit Sand anstelle von Wasser, um etwas Schutz vor der Sonne und Insekten zu erhalten. Wiederum sind es Elefanten, die uns auf unserer Reise die besonderen Szenen schenken. Am Weg zurück Richtung Quartier entdecken wir noch einen Adler und eine Giraffe, die sich geduldig von mehreren Madenhackern gleichzeitig reinigen lässt.

Unser einfaches Nachtlager in einer Rundhütte besteht aus zwei Betten, zwei Moskitonetzen und einem kleinen Badezimmer. Die Bewegungsfreiheit fühlt sich luxuriös an. Wir schlafen zum ersten Mal seit Wochen wieder in einem richtigen Bett. In der ruhigen Nacht werden wir nur einmal munter, als ein Hippo neben unserer Hütte grast.

Weil Michael verweigert, die Uhrzeit auf seinem Handy umzustellen, läutet der Wecker bereits um 3:25 in der Früh. Eine halbe Stunde später, um 5:55 Ortszeit geht’s mit der ersten Ausfahrt los. Wir hoffen heute Löwen, Leoparden oder Geparden vor die Linse zu bekommen. Die Chancen stehen gut, haben uns am Vorabend andere Touristen berichtet. Unser Fahrer Geoffrey hingegen hat andere Pläne. Er fährt in Höllentempo seine Lieblingstrecke ab, ohne Rücksicht auf mögliche Entdeckungen. Die Familie vor uns ist ebenfalls etwas irritiert, traut sich aber gleichzeitig nichts sagen. Als der Fahrer es dann auch noch schafft, den Landcruiser in ein tiefes Loch zu bugsieren, sind wir zum Anhalten gezwungen. Der Wagenheber hat schon bessere Zeiten gesehen und restliches Werkzeug ist nicht vorhanden. Keine anderen Fahrzeuge weit und breit, rundum nur wilde Tiere denen wir durchaus als Beute dienen könnten. Geoffrey legt einige Äste unter den Reifen, um etwas Grip zu bekommen – vergebens. Ines versucht zu helfen und liefert weiteres Geäst. Unsere drei deutschen Mitfahrer haben sich mit verschränkten Armen neben dem Auto versammelt und beäugen ängstlich die Situation. Ein österreichischer Held muss her: Michael schnappt sich das Buschmesser und klappert tollkühn die Umgebung nach dickeren Ästen ab. Dass ihm etwas mulmig dabei ist und er fest auftritt, um garstige Schlangen zu verscheuchen, müssen die Anderen nicht wissen. Das Buschmesser würde obendrein sowieso kein hungriges Raubtier einschüchtern. Immerhin verläuft der Fußmarsch erfolgreich und er kehrt mit einem dicken Bündel an Geäst zurück. Das männliche Familienoberhaupt der Deutschen kommt einstweilen nicht auf die Idee, sich sein markenbesticktes Poloshirt zu beschmutzen. Erst als er sieht, wie wir neuerlich den Wagen anschieben, kommt er dazu. Das hilft auch, denn wir befreien das Hinterrad und können die Reise fortsetzen. Michi bittet den Fahrer darum, in den Abschnitt des Parks zu fahren wo die meisten Löwen gesichtet wurden und Geparden umherstreifen sollen. Die anderen Passagiere stimmen zu, womit der Fahrer sich dem Wunsch beugt. Bereits am Weg in diesen flachen nördlichen Abschnitt erspähen wir einen Löwen. Geoffrey hat gute Arbeit geleistet und im Schatten eines Baumes ein junges Männchen erkannt. Das Tier liegt völlig entspannt am Rande eines ausgetrockneten Flussbettes und döst dahin. Gespannt, ob vielleicht noch Gesellschaft eintrifft, verharren wir und freuen uns über die seltene Katze. Dann geht’s weiter in den flachen Abschnitt des Parks. Neben den Wegen tummeln sich unzählige Elefanten. Bis wir das nächste Mal zum Stehen kommen, passieren wir locker hundert Tiere. Als wir dann anhalten um einen Bullen aus der Nähe zu betrachten, nimmt dieser trötend die Verfolgung auf. Unser Rallyefahrer steigt in die Pedale um Abstand zu gewinnen. Der Elefant dreht ab und fächert mit seinen breiten Ohren. Viele Giraffen, etliche Warzenschweine samt Babies, Zebras und Antilopen stehen danach am Nachmittagsprogramm. Geoffrey steuert das Fahrzeug noch auf einen Aussichtspunkt, wo wir unsere kleinen Geschäfte verrichten können. Beiläufig erkundigt sich Michi nach der Richtung, die wir am kommenden Tag einschlagen werden. „Oh, sorry, i forgot to tell you“ sagt der Fahrer zögerlich. Er meint, er konnte die versprochene Aufenthaltsdauer am Eingang nicht aushandeln, womit wir am nächsten Tag nach dem Frühstück die Rückreise antreten müssen. Michael stellt ihn zur Rede. Anders als vereinbart, sollen wir um zwei Mahlzeiten und sieben Stunden Pirschfahrt gebracht werden. Geoffrey entschuldigt sich halbherzig, wir sind richtig enttäuscht.

Die Begeisterung über ein junges Krokodil oder eine Familie von Klippschliefern am Rückweg  wird aufgrund der schlechten Nachrichten getrübt. Zumindest haben wir dem Fahrer und seinem Kumpel noch nichts bezahlt, was eine Nachverhandlung des Preises erleichtert. Am Abend sitzen wir noch am Lagerfeuer und desinfizieren unsere Mägen mit Konyagi. Die einheimische Spirituosen Spezialität schmeckt ähnlich wie Gin und brennt sich langsam ihren Weg durch die Speiseröhren.

Wiederum früh morgens brechen wir zu einem kurzen und gleichzeitig letzten Game Drive auf. Bevor die Sonne sich spektakulär vom Horizont hebt, erleuchtet sie die Ebenen in einem kräftigen Orange. Die ersten Sonnenstrahlen treffen auf einen Schakal und eine Familie seltener Bat-Ear Foxes. Diese Fledermausohren Füchse sehen ungemein niedlich aus und kommen nur in wenigen Gebieten Ostafrikas vor. Unser Kurzausflug führt uns danach zu einer Hängebrücke, die wir zu Fuß queren. Anschließend gibt’s Frühstück und Rücktransport zum Gate, von wo uns ein anderes Auto abholen soll. Am Weg dorthin winkt uns noch ein Elefant mit dem Rüssel, ein Nilwaran zeigt uns hingegen die Zunge. Hinter dem Gate wartet tatsächlich ein Auto auf uns, jedoch keines mit dem wir gerechnet haben. Ein uralter Toyota Corolla soll uns zurück bringen. Aus dem Fahrzeug steigt ein Rastaman mit dicker Wollmütze. Ein zweiter Typ steigt ebenso aus und hilft, unsere Rucksäcke im Kofferraum zu verstauen. Der Innenraum des klapprigen Taxis ist mit einer dicken Schicht Staub bedeckt. Darunter modert ein roter Sitzbezug vor sich hin. Michael tauscht noch wenige Worte mit dem Fahrer auf Suaheli aus, bevor die Fahrt losgeht. Die dicke Staubschicht erklärt sich nach wenigen Sekunden von selbst. Keine der Türen ist mit einer Dichtung versehen, wodurch laufend Staub von untern und seitlich ins Fahrzeug gewirbelt wird. Wir bedecken unseren Mund mit einem Tuch bevor uns bewusst wird, dass diese Fahrt wohl länger dauern könnte. Der Rastaman vorne geht die Reise naturgemäß langsam an. Trotz des geringen Tempos scheppern immer wieder die Stoßdämpfer. Die Rolle des Beifahrers bleibt noch unklar, denn die Männer sprechen kein Wort miteinander. Das skurrile Schauspiel zieht sich fast vier Stunden in die Länge bevor wir der staubigen Schleuder entsteigen. Davor wird Ines, im Zuge ihrer Pipi-Pause, noch von einigen Dörflern verfolgt, nachdem diese die weiße Frau pinkelnd in ihrem Busch entdecken. Wenige Minuten vor unserem Ziel steigt noch der Beifahrer aus, öffnet zum ersten Mal seinen Mund und verabschiedet sich.

Entspannung unter Palmen

Nachdem Saedy zum Zeitpunkt unserer Rückkehr gerade andere Gäste unterhält, wollen wir ihm anständigerweise unseren Unmut erst später kund tun. Es vergehen zwei Stunden in denen wir Wäsche waschen und unsere Verhandlungsstrategie vorbereiten. Am frühen Abend schnappen wir uns das geschäftstüchtige Männchen und konfrontieren ihn mit den falschen Versprechen seinerseits. Er versucht sich herauszureden und kann sich seine eigenen Worte nicht mehr in Erinnerung rufen. Michael hilft ihm gerne auf die Sprünge. Als es ihm zu viel wird, delegiert er das Thema an einen der Angestellten seiner Gattin weiter. Die Lösungsfindung soll bis zum nächsten Morgen aufgeschoben werden. Wir wissen jetzt zumindest, dass wir nach dieser Nacht nicht mehr hier bleiben wollen. Ines Geburtstag steht in drei Tagen an. Den wollen wir in einem positiven Umfeld verbringen. Gleichzeitig bereit uns die noch nicht erledigte Reparatur am Bus leichte Kopfschmerzen. Es gibt einiges zu besprechen bevor wir ins Bett gehen.

Am Morgen warten wir auf die Ankunft von Mr. Leki, dem Safarimanager der künftigen Lodge. Der ältere Herr ist außergewöhnlich sympathisch und diplomatisch zugleich. Lieber wäre ihm, die Chefin persönlich sei da. “Big Mama from Germany“ sei eine gute Frau, erklärt er. Von den Machenschaften ihres listigen Mannes hält er selbst wenig. Gemeinsam finden wir eine Lösung und bezahlen den Betrag, den wir vorschlagen.

Dann geht’s zurück auf die Straße und hinein nach Iringa. Dort wollen wir Vorräte für die kommenden Tage einkaufen und Bargeld beheben. Am Ortsanfang springt ein Polizist zur Seite, als er uns sieht. Er möchte Michis Papiere sehen und versucht uns einzuschüchtern. „You are having a big problem“ sagt er bestimmt. Der Uniformierte meint, unser Lenkrad befindet sich auf der falschen Seite. Michael versucht den Ordnungshüter aufzuklären und geht eine Diskussion ein. Der besteht darauf, dass unser Fahrzeug per Sticker als “LHD“, also left-hand-drive, gekennzeichnet sein muss. Ansonsten seien wir (!) eine ernsthafte Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer. Er deutet auf ein Geschäft einige Meter weiter, die solche Sticker verkaufen. Drei Minuten später treffen sich die beiden Männer am Heck des Busses. Der Polizist sieht zu, wie Michi den Aufkleber platziert. Dann will er natürlich Geld. Immer wieder erwähnt er, wie heftig die Strafe für solch ein Vergehen sei. Michael tut so, als würde er nichts verstehen und drängt den Polizisten zurück auf die linke Seite des Busses. Dort wartet eine uniformierte Kollegin, die etwas überrascht dreinblickt. Michi beginnt, sich lautstark für die tolle Hilfe und Unterstützung zu bedanken, wünscht dem Polizisten noch einen fantastischen Tag und springt ohne etwas zu zahlen in den Bus. Anschließend fahren wir angefressen aber hungrig durch Iringa und finden dort immerhin die gewünschten Vorräte. Das nächste Camp erreichen wir ohne Zwischenfälle. Nur jeder zweite Polizeibeamte hält uns auf. Keiner davon will sich bereichern. Je nach Tageszeit und Temperatur gönnen wir unserem leicht angeschlagenen Gefährt eine Pause. Der Bus bedankt sich indem er alle Steilpassagen durchhält und kaum ein Rattern von sich gibt.

Am nächsten Morgen brechen wir nach Morogoro auf. Der letzte Halt, bevor wir den indischen Ozean erreichen. Das Navi meint vier, somit rechnen wir mit sechs Stunden Fahrzeit. Die ersten 100 Kilometer führen uns über steile Serpentinen eine Berglandschaft entlang. Trucks sind wieder einmal unsere größte Hürde. Manche sind so schwer beladen und schwach auf der Brust, dass sie die Anstiege nur im Schritttempo meistern. Überholen geht nicht. Dazwischen steht auch mal ein kaputter Truck mitten auf der Fahrbahn und lässt den Verkehr stocken. Als wir den Abschnitt nördlich der Udzungwa Mountains bewältigt haben, rebellieren unsere Mägen synchron. Die Kombination aus deftigem Frühstück und steilen Kurven schwemmt uns bei einer Lodge in Mikumi an. Die Sehnsucht nach einer kalten Flasche Cola ist immens. Leider haben die Ziegen eines Massai Hirten etwas dagegen. Geduldig warten wir, bis die kollisionsresistenten Tiere den Weg räumen. Das dunkle Zuckerwasser schmeckt danach umso besser. Nach mehr als einer Stunde Rast fühlen wir uns bereit, die zweite Etappe in Angriff zu nehmen. Diese führt uns mitten durch den Mikumi Nationalpark. Ganz ohne Gebühren oder Gästebuch fahren wir durch den Abschnitt und erkennen einige wilde Tiere von der Straße aus. Vor Sonnenuntergang erreichen wir das Simbamwenni Camp am Rand von Morogoro. Dort fühlen wir uns rasch wohl. Die Lodge betreibt eigentlich kein Camp für Fahrzeuge, lässt aber Reisende gerne im hinteren Bereich des riesigen Gartens parken. Dort stellen wir unseren Bus unter turmhohen Palmen ab und beginnen das übliche Buddeln. Rechtzeitig bemerken wir die Kokosnüsse hoch über unseren Köpfen und justieren noch etwas um. Eine gebrochene Windschutzscheibe wollen wir uns lieber ersparen. Der hilfsbereite Manager Elias holt uns eine zweite Kabeltrommel herbei mit der wir die knapp 70 Meter bis zur nächsten Steckdose überbrücken können. Alleine unter Palmen, umgeben von grün leuchtenden Bergen warten wir darauf, dass die Sonne untergeht. Hier werden wir ein paar Tage bleiben. Zu wenig Ruhe, Erholung und guten Schlaf konnten wir den letzten Wochen abgewinnen. Die Arbeit und die Abenteuer müssen etwas ruhen.

An ihrem Geburtstag scheint bereits frühmorgens die Sonne für Ines. Michael bereitet das Frühstück zu, möchte sie bereits am Morgen verwöhnen. Dann fädelt er mit Hilfe von Elias noch eine Lieferung ein. Die amerikanische Frau des Managers schwört auf die tolle Pizza eines örtlichen Lokals, während Michi der runden Teigflade sowieso nie abgeneigt ist. Ines soll am Abend mit Rotwein und Pizza überrascht werden. Leider verplappert sich der sympatische Manager, als er in Ines Anwesenheit die Bestellung bestätigt. Wir lachen gemeinsam über das Hoppala. MIttags geht’s in den Pool und danach noch ins Stadtzentrum. Wir finden kein gewünschtes Tuk-Tuk am Wegesrand und spazieren somit eine Stunde lang. Ines sucht sich in einem indischen Markt einige Leckerlis aus, bevor wir den Liquor Store ausfindig machen. Dort dürfen wir hinter das Gitter treten und erstehen eine Flasche Rotwein. Zurück im Camp nimmt Ines telefonische Glückwünsche und Gesangseinlagen ihrer Familie entgegen. Den Abend verbringen wir zu zweit im flackernden Licht unserer Citronella Kerze. Zu südafrikanischen Rotwein wird uns eine schmackhafte Pizza geliefert. Das einzige Geräusch, das die Idylle stören könnte, kommt aus der Nachbarschaft. Ein Prediger schreit durchs Mikrofon, als würde er jemandem den Teufel austreiben. Immer wieder ertönen die gleichen unverständlichen Sätze durch die kräftigen Lautsprecher. Danach Applaus, Gesang und die nächste Prozession. Das Szenario dauert bis nach Mitternacht! Erst am nächsten Tag werden wir von Elias erfahren, dass es sich um eine kleine Kirchenhütte handelt, die per Tonband jeden Abend eine aufgenommene Messe vorspielt. Anstatt hundert lautstarken Gläubigern sitzen jeweils nur drei bis zehn Menschen auf den Bänken und lauschen der Stimme aus dem Lautsprecher.

An diesem Abend nehmen wir jedoch wenig davon wahr. Die Augen werden schwer, schöne Stunden neigen sich dem Ende zu. Unsere Reise geht weiter an die Küste. Dann ist die erste große Etappe geschafft, dann haben wir Afrika vom Atlantik bis zum indischen Ozean durchquert.

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Kommentare: 2
  • #1

    Xandi (Mittwoch, 14 März 2018 13:21)

    So grad zum Mittagessen fertig gelesen... ich bewundere euch zwei für euer Durchhaltevermögen! Nicht nur wegen dem vielen fahren auch wegen den teils sehr anstrengenden Leuten die eure Wege kreuzen. Immer tief durchatmen und dann die Probleme lösen! Eure Fotos sind auch wieder mal ein Wahnsinn!
    Bin froh das ich schon über eure Woche am Strand Bescheid weiß aber freue mich schon drauf auch davon zu lesen!
    Ich trinke heute einen konyagi auf euch!
    Dickes Bussiii und weiterhin vorsichtig bleiben! Und möge der Bus noch lange durchhalten!!

  • #2

    Xenia Peschel (Sonntag, 18 März 2018 21:44)

    Danke, dass ihr uns an euren Emotion und an euren spannenden Erlebnissen Teil haben lässt. Wir bekommen schon beim Lesen teilweise weiche Knie. Danke Michi, dass du Ines 30 Geburtstag zu einem wirklich Besonderen gemacht hast. Wir wünschen euch weiterhin viel Glück � Freude, Ausdauer, Gelassenheit, kompetente Mechaniker und vielleicht eine neue Herausforderung mit den Schulkindern von AAA bei schönerem Wetter. Seid innigst umarmt Joxe