Zwischenstopp beim Gangsterboss
Der Sonnenschein in Morogoro bleibt uns treu und wir beschließen noch zwei Tage Aufenthalt anzuhängen. Zu den lautstarken abendlichen Predigten gesellen sich am Ende der Woche auch noch die lauten Rufe eines nahen Muezzins. Die Gläubigen liefern sich ein Schreiduell auf Augenhöhe. Aufgrund der Tonbandaufzeichnung geht der Punkt in Sachen Ausdauer an die kleine Kirche. Unter Tags genießen wir die Ruhe, lesen viel, machen Sport und lassen uns mit Bajajs durch die Gegend schippern. Dazwischen wird Michi noch von einer grasenden Kuh attackiert, als er das Tier freundlich von unserem Verlängerungskabel hinunter bittet.
Am frühen Sonntag brechen wir auf, um die größte Stadt Tansanias möglichst verkehrsberuhigt zu erleben. Dar es Salaam ist mit über 5,5 Millionen Einwohnern ein riesiges Ballungszentrum verschiedener Kulturen. Dort wollen wir den Bus für 10 Tage abstellen und mit der Fähre nach Sansibar übersetzen. Mit Hilfe der “iOverlander“-App hat Ines einen Platz entdeckt, wo wir sicher gegen Gebühr unser Gefährt parken können. Obendrein bieten die Betreiber noch kleine Gästezimmer an. Das Quartier befindet sich leider im Süden der Stadt, was bedeutet, dass wir unseren Bus einmal quer durchs Zentrum manövrieren müssen. Gegen Mittag haben wir gerade mal die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht, als wir unfreiwillig stoppen müssen. Unsere Regenrinne entlang der Frontscheibe ist mit einer Blende versehen, die aufgrund des starken Seitenwindes plötzlich vor der Windschutzscheibe flattert. Vor einem breiten ummauerten Areal stellen wir den Bus in den Schatten, um mit Montagekleber und Gewebeband das lose Teil zu fixieren. Nach kurzer Zeit haben wir es geschafft und setzen uns mit einer Schüssel Pasta noch neben den Bus, um die Pause auch kulinarisch zu nutzen. Plötzlich öffnet sich das Tor und zwei junge Männer kommen auf uns zu. Gleichzeitig bemerken wir einen Geländewagen wenige Meter hinter uns. „The Lady wants to talk to you“ sagt einer der Burschen. Etwas verwundert macht sich Michael auf den Weg zu dem anderen Fahrzeug. Aus dem Fenster grüßt eine ältere Dame, die in einem Kopftuch gehüllt, nach unserem Problem fragt. Die persisch aussehende Frau wird chauffiert und hat hier offensichtlich das Sagen. Nachdem Michi die Sachlage erklärt, bittet uns die Dame ins Innere der Anlage. Wir packen unsere Schüssel samt Besteck und folgen dem Wagen. Hinter den hohen Mauern wartet ein seltsames Bild. Mehrere brandneue Tanker und moderne Autos stehen hier aneinandergereiht. Das Innere des Hofes hat die Dimensionen eines Fußballplatzes an deren Ende sich so etwas wie ein Bungalow befindet. Mehrere finstere Gestalten beäugen uns skeptisch, als wir unsere Schritte setzen. Die fremde Frau befiehlt einem der Männer uns Getränke zu holen. Wir dürfen auf einer kleinen Bank Platz nehmen und fühlen uns dabei nicht sonderlich wohl. Der verbale Austausch ist bisher lediglich auf Suaheli erfolgt. Genauso eingeschränkt wie Michis Kenntnisse dieser Sprache, sind die Englisch Kenntnisse der Dame. Mit den Männern spricht sie arabisch in einem Tonfall, der unmissverständlich darauf hindeutet, dass es sich um ihre Angestellten oder Leibwächter handeln muss. Als sich wenige Minuten später das Tor öffnet und ein großer SUV mit verdunkelten Scheiben anrollt, wird es uns klar: wir sitzen wie zwei Volldeppen im Innenhof eines Superbösewichts. Die Kulisse erscheint, wie in einem James Bond Film, mit uns als unschuldige Opfer mittendrin. Aus dem Wagen stiegen zwei Ganoven, die jeweils eine Hecktür öffnen. Zwei weitere Männer steigen aus. Einer davon sieht aus wie ein Scheich, der andere muss der legere gekleidete Obergangster sein. Der finstere Blick des Zweiten ändert sich, als er die Frau sieht, sie umarmt und herzt. Es handelt sich anscheinend um dessen Mutter. Einen kurzen Gruß erhalten wir, bevor die Herren samt Gefolgsleuten in ein anderes Gebäude verschwinden. Die fremde Frau erklärt uns, dass es sich tatsächlich um ihren Sohn handelt. Ihren Einzigen, „ein Geschenk Gottes“ nennt sie ihn. Gerne würden wir diesen seltsamen Ort wieder verlassen, bevor wir noch Zeugen eines Schusswechsels zwischen britischen Geheimagenten und unseren Gastgebern werden. Aus dem Inneren des Gebäudes hören wir Geschirr klimpern, bevor der Boss uns erlöst. Er stellt sich in passablem Englisch als Mr. Nilesh vor. Danach überreicht er Michi eine Visitenkarte und die Herren kommen sogar etwas ins plaudern. Als Nilesh erfährt, dass wir nach Dar es Salaam fahren, lädt es uns für den selben Abend zu sich nach Hause ein. Dort sollen wir ihm beim Abendessen inmitten seiner Familie Gesellschaft leisten. Auf der Visitenkarte ist zu erkennen, dass Nilesh anscheinend der CEO eines staatlichen Mineralölkonzerns ist, was den Kerl in ein legaleres Licht rückt. Selbst wenn es sich, bei dem durchaus freundlichen Typ, tatsächlich um einen Gangsterboss handelt, kann ein solcher Kontakt durchaus nützlich sein, denkt sich Michi und sagt zu. So verlassen wir die geheime Festung im Nirgendwo wieder und bewegen unseren Bus nach Osten.
Keine Stunde nach dem Halt, passiert uns etwas Alltägliches: ein lahmender Truck bewegt sich im Schritttempo und wir überholen, so wie andere Autos ebenso, trotz Sperrlinie. Die anderen Autos interessieren die lauernden Polizisten wenig – einzig wir werden aufgehalten. Es sollte erst der dritte Polizeistopp an diesem Tag sein, dafür der unangenehmste. Der Polizist hat unser Überholmanöver beobachtet und Dollarnoten funkeln in seinen Augen. Michael hat die anderen Autos, vor und hinter uns ebenso gesehen und fährt den Polizisten an. „No, i only see you“ meint der Polizist, was Michael noch mehr auf die Palme bringt. Nach der üblichen Kontrolle der Dokumente steigt er aus und geht mit dem Ordnungshüter auf Konfrontation. Währenddessen ist der Truck noch acht weitere Male, trotz Sperrlinie überholt worden, doch der Beamte schenkt einzig uns seine Aufmerksamkeit. Wir sind nicht gewillt etwas zu zahlen, obwohl erstmals tatsächlich eine Grundlage gegeben ist. Michael darf wieder einmal weiter hinten ins Gebüsch verschwinden. Dort geht die Verhandlung mit dem Chief Officer weiter. Alle Parteien bleiben hartnäckig. Michi zieht die eben erhaltene Visitenkarte von Mr.Nilesh und möchte die Polizisten beindrucken. „We have to meet our uncle in time" erzählt er, dieser kann Verspätungen obendrein gar nicht ausstehen. Der Chief gibt sich kompromissbereit und meint, ein kleines Geschenk würde ihn besänftigen. Die fortgeschrittene Zeit ist diesmal nicht auf unserer Seite und Michi lässt sich erweichen, den korrupten Typen etwas auszuhändigen. Zurück im Bus taucht Ines ab und sucht Essbares. Michael entdeckt obendrein das Bestechungspackerl Zigaretten und etwas Unterhaltsames. So überreicht er wenige Momente später dem Polizisten eine Packerlsuppe, die Schachtel Zigaretten und zwei Wunderkerzen (auf österreichisch “Sternderlspritzer“). Sein Gegenüber glaubt duftende Räucherstäbchen zu erhalten und Michi lässt ihn in dem Glauben. Als er sich umdreht um wieder in den Bus zu steigen, schreit noch ein weiterer unverfrorener Ordnungshüter nach Geschenken. Wir fahren zügig los und verlassen den Tatort. Obwohl sauer aufgrund des Erlebten, können wir immerhin über unsere Gaben schmunzeln.
Knapp 60 Kilometer vor Dar es Salaam beginnen die Vororte. Wir lernen, dass der Verkehr auch am Sonntag massiv zum Stocken kommen kann und bemerken obendrein die neue Klimazone. Die zunehmende Luftfeuchtigkeit in Kombination mit 37 Grad Innentemperatur ergeben ein Saunafeeling erster Klasse. Obendrein läuft ja unsere Heizung, damit der defekte Lüfter möglichst nicht startet. Von Stau zu Stau tuckern wir, bis sich die ersten Hochhäuser der Metropole zeigen. Großstädte in Afrika sind ohnehin selten reizvoll. Mit dem eigenen Auto durch so eine chaotische Millionenstadt zu fahren, kann man durchaus als stupide bezeichnen. Ines und ihre Navigationskünste sind gefragt. Wir entscheiden uns für die Strecke, die weniger Abzweigungen bereit hält. Sobald wir an einer Ampel zum Stehen kommen, mustern uns die Einheimischen. Zuerst werden unsere Gesichter inspiziert, dann das seltsame Fahrzeug. Gerade in der Großstadt haben wir nicht damit gerechnet, als Aliens wahrgenommen zu werden. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Downtown, wo die Straßen enger werden. Langsam fahren wir durch eine Seitenstraße, werden dabei laufend überholt, als uns ein Polizist ins Visier nimmt. Der Herr hüpft zur Seite und deutet uns anzuhalten. Michael schwebt auf der Wolke der Gleichgültigkeit: er zeigt dem Polizisten den Daumen nach oben und fährt lachend weiter. Nichts passiert, kein Gebrülle und keine Verfolgung. Als wir dem Ziel ganz nahe sein sollten, verfahren wir uns kritisch und landen auf einer Brücke. Dort entrichten wir doppelt Benutzungsgebühr, da wir bei nächster Gelegenheit wieder umkehren müssen. Ines ärgert sich über das Navi und sich selbst. Michael spendet Trost und mit vereinten Kräften erreichen wir bei Dunkelheit unser Quartier. Es kommt uns wiedermal so vor, als wären wir an einem einzelnen Tag um ein ganzes Jahr gealtert. Bevor wir ins Bett fallen, ruft Michi noch Mr. Nilesh an und sagt ihm dankend fürs Abendessen ab.
Unser Ziel, Afrika zu durchqueren, haben wir erreicht. Der Bus steht wenige Meter vom indischen Ozean entfernt. Es kommt uns so vor, als wäre eine Ewigkeit zwischen der Abfahrt vom Atlantik, der unfreiwilligen Rettungsfahrt, und dem heutigen Abend vergangen. Den östlichsten Punkt unserer Reise werden wir in wenigen Tagen erreichen.
Am Morgen schnappen wir uns ein Taxi und lassen uns zum Hafen bringen. Dort kaufen wir zwei Tickets für die Überfahrt nach Sansibar am kommenden Tag. Danach lassen wir uns zu einem Restaurant bringen, wo wir mit Blick auf die Bucht ausgiebig speisen. Praktischerweise gibt’s dort Internet und wir nutzen die Chance, um zwei Unterkünfte auf Sansibar zu buchen. Anschließend flanieren wir noch etwas durch die Gegend, bevor wir zurück ins Quartier fahren, um unsere Sachen zu packen.
Urlaub auf Sansibar
Weniger als eine Stunde vor der Abfahrt schleusen wir unser Gepäck durch die Sicherheitskontrollen und nehmen zwischen 200 Afrikanern in der billigen Economy Class Platz. Nach dem die Sicherheitsanweisungen am Bildschirm vorüber sind, läuft ein chinesischer Kung Fu Film am Flimmerkasten vor uns. Die knapp zwei Stunden lange Fahrt vergeht flott, die Sicherheitskontrollen am Hafen von Stone Town ziehen sich umso mehr in die Länge. Ungewohnt ist für uns vor allem das hautnahe Gedränge und Geschubse der afrikanischen Reisenden. Manche Ausdünstungen erreichen dabei den Schärfegrad von Jalapenos. Ein Synonym für Privatsphäre oder Intimität gibt’s in der lokalen Sprache tatsächlich nicht. Draußen am Ausgang warten zahlreiche Taxifahrer, die einen sogar nachlaufen um ihre Dienste anzupreisen. Wir marschieren zu Fuß, da unser Hotel nur wenige Minuten entfernt liegt. Michael war vor über drei Jahren schon mal als Tagesgast im Pool des gehobenen Tembo Hotels. Er musste Ines nicht großartig davon überzeugen, in dem noblen Ambiente zwei Nächte zu verbringen. Das Zimmer und der Balkon übertreffen sogar unsere Erwartungen. Die Basis für unsere Spaziergänge durch die engen Gassen der Altstadt, könnte nicht komfortabler sein. So verbringen wird den Tag flanierend und kehren erst spät am Nachmittag ins Hotel zurück, um im Pool etwas Abkühlung zu finden. Am Abend stürzen wir uns wieder ins Gewusel und führen nette Gespräche mit einigen Verkäufern. Kulinarisch kosten wir uns dann durch den Night Market des Forodhani Gardens und trinken einen Cocktail auf der Dachterrasse des Maru Maru Hotels. Ein signiertes Foto an der Wand erinnert daran, dass US Ex-Präsident Bill Clinton vor exakt 10 Jahren, den Ausblick ebenso genossen hat. Ein lang ersehntes Gefühl kommt wieder auf: wir fühlen uns wie im Urlaub.
Den zweiten Tag in Stone Town beginnen wir mit einem Spaziergang zum Markt. Ab einer gewissen Nähe, muss man nur mehr der Nase folgen. Die Düfte sind nichts für zarte Geruchsknospen. Fischgeruch mischt sich mit orientalischen Gewürzen und einer Brise Fäulnis. Wir kaufen nichts und wandern weiter in ein traditionelles Kaffeehaus, trinken dort Spiced Coffee, gewürzt mit Zimt, Kardamon und Muskatnuss. Anschließend lassen wir uns wieder durch die Gassen treiben, kaufen ein paar Kleinigkeiten und genießen den Flair der Altstadt. Für den Abend haben wir uns ein äthiopisches Restaurant ausgesucht. Dort wird uns auf einer riesigen Teigflade namens Injera allerhand Köstliches serviert. Wir kämpfen zu zweit mit der großen Portion und resignieren nach einer Stunde. Der Verdauungsspaziergang im Anschluss ist dringend nötig. Am nächsten Morgen wartet Abbas vor dem Hotel bereits mit seinem Taxi. Der Einheimische war der sympathischste der sich anbietenden Fahrer. Außerdem konnte Michi mit ihm einen fairen Deal aushandeln. Er bringt uns günstig auf die andere Seite der Insel, während wir etwas die Werbetrommel rühren werden, um dort andere Kunden zu finden. Die 90minütige Fahrt erweist sich vor allem für die Männer als kurzweilig. Abbas ist großer Fußball Fan und liefert ausreichend Gesprächsstoff. Darüber hinaus werden wir Zeuge eines unnötigen Korruptionsaktes. Auch auf der Insel sind die Polizisten hungrig und durstig. Abbas hat im Zuge der Kontrolle nichts zu befürchten, steckt dem Ordnungshüter trotzdem ein Scheinchen zu, um schneller weiterfahren zu können. Wir wären durchaus bereit gewesen unseren “sauberen“ Fahrer wortkräftig zu unterstützen, doch der möchte auch in Zukunft keinen Stress mit den Beamten haben. Dass sogar Einheimische diese korrupten Praktiken hinnehmen, enttäuscht uns. Ohne Futter in Form von Geldscheinen, würden die korrupten Bullen schneller aussterben.
Angekommen in Matemwe hören wir das Meer rauschen. Unser Bungalow blickt direkt auf die Wogen und ist von tropischen Pflanzen umgeben. Paradiesische Gefühle kommen nur deshalb nicht auf, weil dunkle Wolken den Himmel bedecken. Wir spazieren am Strand entlang und machen uns mit der Umgebung bzw. den umgebenden Restaurants vertraut. Vereinzelt flimmern Gedanken, bezüglich der Sicherheit unseres fernen Busses, durch unsere Köpfe.
Nicht strahlend, aber zumindest erhellend, lässt sich am nächsten Tag dann doch die Sonne blicken. In Büchern versunken vergeht Stunde um Stunde. Am Abend wollen wir die leeren Mägen in einem Restaurant strandaufwärts füllen. Wir setzen nur wenigen Schritte in den Sand, bevor Michi etwas rot Leuchtendes am dunklen Horizont entdeckt. Ines erkennt Bewegung und wir realisieren, dass es sich um den Mond handeln muss. Einen dermaßen prächtigen Mondaufgang am Meer zu erleben, lässt uns innehalten. Dann läuft Michael zurück in den Bugalow, um seine Kamera zu holen. Fasziniert bestaunen wir die riesige rote Kugel. Auch andere Menschen am Strand halten an, um das Spektakel zu beobachten. Nach über 30 Minuten erreicht der Mond eine Schicht aus dicken Wolken und verschwindet würdevoll im Nachthimmel. Glücklich und hungrig setzen wir unseren Weg fort.
Die nächsten Tage verlaufen in derselben entspannten Atmosphäre. Ines liest sich sogar durch zwei dicke Schmöker. Die Sonne bleibt ein seltener Gast. Unter der Woche beschließt Michi am Strand laufen zu gehen. Die Luftfeuchtigkeit ist zwar immens aber immerhin weht eine leichte Brise. Keine 20 Minuten unterwegs erscheint prompt die Sonne zum ungünstigsten Zeitpunkt. Nach einigen weiteren Minuten stoppt Michael im Schatten, um zu dehnen (und zu rasten). Innerhalb weniger Momente sammeln sich zahlreiche Kinder um ihn. Brav imitieren sie alle Übungen des fremden Läufers. Die Freude, die die Kleinen dabei haben, veranlasst Michael dazu, die Übungen in die Länge zu ziehen und ein paar Verrenkungen draufzupacken. Zurück im Bungalow ringt der Übungsleiter dann um Wasser und braucht eine ganze Stunde Ruhe um sich von der kurzen Laufeinheit zu erholen.
Die Tage vergehen, Bücher werden gelesen, Spiele gespielt und Ruhe kehrt ein. Es erscheint uns luxuriös kein Geschirr spülen zu müssen, keine Wäsche zu waschen und kein Essen samt Feuerstelle zubereiten zu müssen. Insgeheim sehnt sich Michael doch manche frische Speisen herbei, die Ines regelmäßig am Feuer kocht. Das Kilometerfressen fehlt uns nicht, der Bus doch ein klein wenig.
Zwei Tage vor der Rückkehr nach Stone Town schaffen wir es auch, unserem Fahrer Abbas einen Kunden zukommen zu lassen. Lucretia wohnt im Bungalow nebenan und ist nach einem kurzen Schwätzchen durchaus interessiert den Mann anzuheuern. Happy über die Win-Win Situation liefert uns die nette Nachbarin einen Strauß Bananen. Am Abend essen wir gemeinsam und erfahren einiges über ihren Alltag in Uganda und ihre beruflichen Herausforderungen in Sachen Entwicklungshilfe. Erst am Tag vor der Rückkehr in die Hauptstadt Sansibars, beschließen wir wieder ins Tembo Hotel einzuziehen. Schließlich machen wir gerade Urlaub vom Reisen und dürfen uns zum Abschluss eine weitere Nacht in dem bezaubernden Ambiente gönnen.
Abbas holt uns am nächsten Morgen überpünktlich ab und wir queren die Insel diesmal Richtung Westen. In Stone Town erwartet uns außer Sonnenschein noch der freundliche Manager des Tembo Hotels, mit dem sich Michael schon in der Vorwoche angefreundet hat. Der gute Mann hat uns tatsächlich ein Upgrade verschaffen können und wir staunen nicht schlecht als der Page die Zimmertür öffnet. Der gute Abbas erhält zum Abschied noch ein gratis Fotoshooting, damit er seiner Visitenkarte bzw. seinem WhatsApp-Profil ein hochauflösendes Bild hinzufügen kann. Dann stürzen wir uns wieder ins Gassenmeer der Altstadt, besorgen die Rückfahrtickets für die Fähre, erstehen ein besonders hübsches Kunstwerk und kaufen sündteure Kaffeebohnen aus lokalem Anbau. Abendessen gibt’s beim einzigen echten Italiener der Stadt. Michael geht anschließend zum Chef persönlich um sich für die sensationelle Teigflade zu bedanken.
Am Tag der Abreise besuchen wir nochmals das Zanzibar Coffee House in der Nähe des Markts. Auf der Dachterrasse schlürfen wir ein letztes Mal den gewürzten Kaffee und nehmen leise Abschied von der Insel. Die Tage sind zu schnell vergangen. Die seltene Sonne am Strand wurde durch den Mondaufgang locker kompensiert, unser Suaheli hat sich mit Hilfe netter Einheimischer weiter verbessert und vor allem der Dschungel von Stone Town wird uns in besonderer Erinnerung bleiben. Als wir Dar es Salaam am Abend erreichen, freuen wir uns zumindest auf unseren treuen Gefährten, den Bus.
Am kommenden Tag kümmern wir uns ausschließlich um unseren vierrädrigen Begleiter und planen die weitere Route. Zwischen der Großstadt und unserem nächsten Wunschziel, dem Kilimanjaro, liegen zu viele Kilometer, um diese am Stück zu bewältigen. Als Zwischenstopp sticht uns die Küstenstadt Bagamoyo ins Auge. Dorthin soll die Reise weitergehen.
Bagamoyo - zwischen Ruinen und Reparaturen
Die hektische Metropole zu verlassen ist nicht ganz so einfach. Eine ganze Stunde inmitten des Verkehrschaos benötigen wir am nächsten Morgen um das nördliche Ende der Stadt zu erreichen. In einem Einkaufszentrum wollen wir wieder Vorräte aufstocken und erwischen prompt die falsche Zufahrt. Am Hintereingang werden wir tatsächlich für Lieferanten gehalten und nach unserer Ware gefragt. Auch ohne konkrete Antwort dürfen wir passieren. Nach dem Einkauf realisieren wir, dass es zumindest einer Art Stempel bedarf um wieder aus dem Gelände zu kommen. Den Wächtern zeigen wir unseren Kassenbon und deuten auf den Schranken. Sie sind uns gut gesinnt und lassen uns passieren. Vielleicht fragen sie sich heute noch, was zum Teufel die beiden Weißen da geliefert haben.
Für die restlichen 60 Kilometer benötigen wir aufgrund der tausenden Bremshügel in den Vororten knapp zwei Stunden, erreichen das Firefly Camp in Bagamoyo aber zumindest am frühen Nachmittag. Gerade ausgestiegen wird Michael an der Bar bereits auf ein Bier eingeladen. Der Spender heißt Kevin und ist ein alter Seefahrer, der sich in Bagamoyo mit seiner Frau niedergelassen hat um hier den Ruhestand zu verbringen. Den versüßt er sich offensichtlich mit zahlreichen Bierchen und Konversationen an der Bar des Camps. Im Kern ein guter Typ, lässt der siebzigjährige nur wenige Fettnäpfchen aus und erfreut sich einer Ernährungsdiskussion. Ines wird benötigt und gesellt sich zu den Herren. Bevor sie noch einen verbalen Beitrag abgeben kann, hat ihr Kevin bereits ein Glas Weißwein geordert. Bevor er am späten Nachmittag ziemlich abrupt aufbricht, verschafft er uns noch einen Kontakt zu einem zuverlässigen Fundi.
Schwitzend kämpfen wir in der ersten Nacht um Schlaf. Die Temperatur im Bus hält sich konstant bei 31 Grad, die Luftfeuchtigkeit jenseits von 80 %. Das Leintuch gleicht noch vor dem Einschlafen einem feuchten Fetzen. Irgendwann nach Mitternacht schaffen wir es wegzunicken, um gegen 4:30 unverhofft wieder geweckt zu werden. Der Muezzin verkündet zu dieser unchristlichen Zeit seine Botschaft und penetriert damit minutenlang unsere Gehörgänge.
Etwas angeschlagen starten wir den Tag, an dem es trotz Wolkendecke wieder Schweißperlen regnet. Als wir die notwendige Menge an Kaffee getankt haben, bekommen wir Besuch. Tatsächlich steht Kevins Vertrauensmann samt einem Fundi bereits früh morgens vor unserer Tür. Der Mechaniker-Fundi namens Mohammed spricht leider kein Wort Englisch und auch der andere Herr nur ein paar Brocken. Werkzeug haben die Herren keines dabei, sind aber bereit, sich sofort ins Gras zu schmeißen. So haben wir uns das Szenario eigentlich nicht vorgestellt. Michael erklärt, zeigt, deutet und resigniert nachdem der Fundi sich unnötigerweise den (intakten) Sicherungen widmet. Gleich wegschicken möchten wir die Beiden auch nicht und so bittet Michael den Fundi, ihm bei etwas Anderen zu helfen. Unsere Seitentür lässt sich von innen nicht mehr öffnen und er bietet Mohammed an, die Reparatur zu unterstützen. Während die Männer draußen die Tür zerlegen und die Verankerung wieder einfädeln, klebt Ines die Führung unseres Tisches neu und bringt den defekten LED-Streifen wieder zum Leuchten. Im Anschluss erhalten die Helfer noch Kaffee und natürlich ein paar Geldscheine.
Am Nachmittag erkunden wir Bagamoyo zu Fuß und entdecken mehr als pflanzenüberwucherte Ruinen. Das Fischerdorf gilt als eine der ältesten Siedlungen entlang der Küste. Ende des 18. Jahrhunderts wurde Bagamoyo zum grausamen Zentrum des Sklaven- und Elfenbeinhandels. Tausende Menschen aus dem Inland wurden von hier aus nach Sansibar und Arabien verschifft. Im 19. Jahrhundert wurde der Ort zum Ausgangspunkt zahlreicher Afrika Expeditionen, bevor die Deutschen Bagamoyo zur Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika ernannt haben.
Wir bewegen uns durch das Freilichtmuseum voller Melancholie und Nostalgie, stellen uns vor wie der Ort wohl vor 200 Jahren ausgesehen hat, welche Strapazen und Qualen die Sklaven hier ertragen mussten. Von den historischen Gebäuden sind noch viele zu erkennen, jedoch nur wenige erhalten. Die intakten Bauwerke lassen immer noch auf die einstige Bedeutung des Ortes schließen und sind teilweise frei begehbar. Unser Rundgang führt uns einmal quer durch den Ort, vorbei am Markt und an unpassierbaren Wegen. Der Regen der vergangenen Wochen hat manche Marschrouten völlig unter Wasser gesetzt. Zurück im Camp kommen wir mit Manu ins plaudern. Die Frau aus Leipzig betreibt eine Studie zum Thema Traumforschung und lässt uns an manch lustigen Episoden teilhaben. Mit schlauem Köpfchen und Humor ausgestattet, wird Manu in unsere elitäre Würfelpoker Runde aufgenommen. Tatsächlich entscheidet sie gleich das erste Duell für sich.
Am nächsten Morgen steht Mohammed überraschend wieder vor unserer Tür. Michael bringt ihm sachte bei, die Reparatur des Lüfters nicht gemeinsam durchziehen zu wollen. Etwas schlechtes Gewissen plagt uns dann, hatte der Herr doch auf einige Schillinge gehofft. Die Gesundheit unseres Busses ist jedoch zu wichtig, um sie in die Hände eines Halb-Fundis zu legen, mit dem kaum kommuniziert werden kann. Die Betreiberin des Camps, Jo, hilft uns aus und vermittelt uns ihren talentierten Haustechniker. Am Nachmittag steht der Mann namens Didas bereit und erweist sich als kompetent. Für den nächsten Morgen wird ein Termin vereinbart um das defekte Teil auszubauen. Der neue Fundi meint, dass es selbst im Falle eines totalen Defektes, mehrere Ersatzteilhändler in Bagamoyo gibt. Am Nachmittag übertrifft sich Ines wieder einmal selbst und bereitet einen zauberhaften Avocado Salat zu, den wir gemeinsam mit Chapatis und der Hilfe von Manu verputzen. Am Abend wird wieder gespielt und Rotwein geschlürft.
Pünktlich erscheint der neue Fundi am Morgen mit einer Werkzeugkiste im Gepäck. Eine Matte wird ausgebreitet und gemeinsam bauen wir das Teil in weniger als einer Stunde aus. Genauso lange dauert es dann, den Lüfter selbst zu zerlegen. Außer der Lagerung entdeckt Didas einen abgebrochenen Führungsstift, den wir durch einen zurechtgeschliffenen Nagel ersetzen. Dann gibt’s den ersten Test, der durchaus erfolgreich verläuft. Das Rotorblatt dreht sich noch immer etwas lose, aber immerhin leiser und stabiler. Dann geht’s wieder an den Einbau. Der Fundi und Michael ziehen die Schrauben in Rekordzeit an. Schneller als erwartet ist die ersehnte Reparatur über die Bühne gegangen. Wir sind optimistisch, dass der neue Stift durchhalten wird.
Am nächsten Tag motiviert uns die Rückkehr der Sonne zu einem weiteren Fußmarsch durch die Gassen. Auf der Suche nach Chapatis landen wir ein einer lokalen Küche. Die Köchin ist bereit frische Fladen für uns zuzubereiten. Nach einem kurzen Anschauungsunterricht fordert sie Ines auf, doch selbst Hand anzulegen. Die Köchin ist von dem Talent der weißen Frau begeistert und ladet sie ein, künftig doch öfters auszuhelfen. Unsere Ausbeute vertilgen wir im Camp, laden den vorherigen Blogeintrag hoch und bereiten uns darauf vor, am kommenden Morgen Bagamoyo zu verlassen. Manu leistet uns am letzten Abend wieder Gesellschaft. Eine Gottesanbeterin gesellt sich noch dazu und nimmt kurzfristig sogar ihr Handy in Besitz. Es wird noch mal gemeinsam gepokert. Das Pokerbrett verteilt diesmal keine Gastgeschenke – Michi gewinnt und feiert sich selbst.
Am Morgen nehmen wir Abschied von der Küste und steuern Richtung Norden. Ein weiteres Highlight steht uns bevor. Der Kilimanjaro, “das Dach Afrikas“ ist zum Greifen nahe.
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Pimp (Freitag, 23 März 2018 21:37)
Sehr anstrengend hört sich das ganze an � aber die schönen gemeinsamen Erlebnisse hören sich noch schöner an ��
Hätte dich gerne beim dehnen mit den kleinen Kindern gesehen �� und ich hoffe ich darf auch mal Ines afrikanische Kochkünste erleben �� Gute und glückliche Reise noch �
Ella (Freitag, 23 März 2018 22:02)
Ich liebe eure Blogeinträge so sehr. Die eine oder andere Schilderung lässt mich an meine eigenen Afrika Erfahrungen denken & schmunzeln :). - Ich bin übrigens Anfang Juni auch wieder auf Afrika-Besuch & bin schon jetzt richtig aufgeregt!!
Macht es weiterhin gut. =*
Manibrother (Samstag, 24 März 2018 07:56)
Safiki marafiki zangu!
Hadithi nzuri sana.
Bahati nzuri na mafanikio katika safari yako ... blessings
Mariella (Samstag, 24 März 2018 10:05)
Echt unglaublich, was ihr alles erlebt. Und das der Bus das alles mit macht ohne große Probleme bei den oargen Straßenverhältnissen ist ja spitze. Die Fotos sind traumhaft schön und Eure Blogs lassen einen Eure Reise richtig miterleben. � Weiterhin tolle Eindrücke wünschen wir euch. Alles Gute von uns 4 �
Ula&Josef (Sonntag, 25 März 2018)
Also bis jetzt habt ihr schon viel erlebt, spannendes, anstrengendes, nervenkitzelndes aber auch sehr viel schönes, das ihr ja auch sehr genießt. Wir wünschen euch alles Liebe und ein gutes Weiterkommen!
Xandalph (Montag, 26 März 2018 10:29)
So erst mal liebe Grüße aus der Linsberg Asia Therme. Hier haben wir heute unseren Urlaubstag!
Ihr hab’s wieder mal spannende Abenteuer erlebt und seits geschickt den Zwickmühlen entkommen! Hoffentlich werden die Polizisten wieder freundlicher und die Straßen wieder besser bei eurer zweiten Hälfte der Afrika Monate. Michi du bist echt schon ein Mechaniker geworden! Ini find ich cool das du gleich mit kochst und Fladen machst!
Wir wünschen euch noch eine sichere weiterreise �
Dickes Bussii
Julia (Mittwoch, 28 März 2018 14:02)
Hallo ihr 2!
Ines ich hab heute von dir geträumt und in diesem Zuge habe ich wieder einmal euren Blog gelesen. Ich muss sagen bei der Gangstergeschichte stehen mir selbst in 1000en Kilometer Entfernung am Bürosessel sitzend die Haare zu Berge. O_o Ihr scheint zweifelsohne mit Nerven aus Stahl gesegnet zu sein.
Bei uns wird hier laaaangsam Frühling, seit Sonntag ist es dank Zeitumstellung auch abends wieder länger hell. Bis ihr wieder da seid gibt es dann zumindest was die Temperaturen betrifft einen nahtlosen Übergang von Afrika nach Europa ;-)
Alles Gute weiterhin!
LG aus der K4
Katja (Dienstag, 03 April 2018 21:26)
Liebe Ines, lieber Michi
Vielleicht erinnert ihr euch noch an uns drei Schweizer Mädels, getroffen haben wir uns in Victoria Falls! Bisschen sehnsüchtig lese ich eure Texte, die sehr schön und wahr und erlebnisreich sind. Viel Spass weiterhin, wo immer ihr jetzt seid. Liebe Grüsse, Katja