Hängebrücken, Sternenkino und die Fleisch-Falle
Bevor wir Botswana am Morgen verlassen, stoppen wir noch in Shakawe. Im kleinen Supermarkt investieren wir die letzten botswanischen Pula in Wasser, Kaffee und Müsliriegel bevor wir Richtung Grenze abbiegen. Der Grenzübertritt nach Namibia verläuft bemerkenswert schnell. Kein anderes Fahrzeug weit und breit, womit wir uns alleine im Immigration Office wieder finden. Ein kompetenter Beamter kümmert sich um die Dokumente und gibt sogar ohne Aufforderung das Wechselgeld heraus. Die gesamte Prozedur dauert nur rekordverdächtige dreißig Minuten. Weitaus länger gestalten sich die ersten Kilometer durch Namibia. Der Weg nach Norden führt uns direkt durch das Mahango Reservat. Eine kostenfreie Mini Safari erwartet uns. Die Landschaft rings um die Schotterpiste ist wenig spektakulär, dafür gibt’s einige wilde Tiere zu sehen. Vor allem Kudus, Impalas, Warzenschweine und sogar eine Säbelantilope kreuzen unseren Weg.
In Divundu, dem ersten Ort nach der Grenze, spuckt der Bankomat Geld aus, die Tankstelle verkauft Diesel und der Supermarkt obendrein Datenguthaben fürs Handy. Alles klappt relativ einfach – wir sind zurück in Namibia.
Die Rumpelpiste zum Mobola Camp fällt leider in die Kategorie “Schwierig“. Scharfe Steine und ein sandiger Abschnitt führen zum Eingang. Nach etwas Verhandeln, können wir uns einen der verfügbaren Plätze selbst aussuchen und landen einen Volltreffer. Zu allen Annehmlichkeiten, wartet unser Stellplatz mit einer kleinen Aussichtsplattform auf, von der man den Okavango überblicken kann. Wir richten uns ein und spazieren bei Sonnenuntergang zu einer Insel mitten im Fluss. Vom Camp aus, führt eine Hängebrücke über einen breiten Seitenarm. Das wackelige Konstrukt darf nur einzeln betreten werden und Ines macht den Anfang. Ihre zarten Kilos lassen einige Balken tanzen aber erreichen sicher das andere Ende. Auf der Insel selbst warnen Hinweisschilder vor Schlangen, Hippos und Krokodilen. Michael geht samt Taschenlampe voraus und wir finden rasch eine Feuerstelle, wo bereits Stimmen zu hören sind. Der Besitzer hat eine kleine Bar errichtet, vor der sich bereits andere Gäste tummeln. Wir setzen uns etwas abseits der Masse ans Lagerfeuer und plaudern eine Weile mit zwei Camp Nachbarn bevor wir den Rückweg antreten. An die Gegenwart so vieler Touristen müssen wir uns erst wieder gewöhnen. Umso ruhiger ist es auf unserer Aussichtsplattform, wo wir vorm Schlafengehen noch eine Episode Sternenkino konsumieren.
Am Morgen reservieren wir bei der Rezeption den freien Stellplatz nebenan. Sue und Ian haben am Vortag per E-Mail ihre Ankunft angekündigt. Nach fünf
ereignisreichen Wochen freuen wir uns auf ihre Gesellschaft und ihre Geschichten. Davor geht’s noch an die Arbeit. Ines spannt raffiniert Wäscheleinen um die Äste, wäscht zwei volle Säcke
Kleidung und bringt den Haushalt wieder in Schuss. Michael wälzt sich in der Zwischenzeit unter dem Bus, kontrolliert die lädierten Bremstrommeln und befreit den Unterboden von kiloweise
Dreck.
Als unsere britischen Freunde am Nachmittag auftauchen, gibt’s freudige Umarmungen. Wir geben den Beiden etwas Zeit zum Ankommen und erkunden währenddessen die Insel bei Tageslicht. Die Hängebrücke ist rasch überwunden, danach entscheiden wir uns für einen engen Pfad der nach Osten verläuft. Michael der Beschützer schreitet voran und hält Ausschau nach großen und kleinen Tieren. Nach 15 Minuten auf leisen Sohlen erreichen wir das östliche Ende der Insel. Dort stehen wir direkt am Ufer und sehen den Okavango vorbeiziehen. Ines streckt die Finger ins Wasser, auf dem Flussufer vis-a-vis plantschen Kinder freudig umher. Das Wasser das wir berühren, wird in wenigen Tagen durch Botswana fließen, wo es Teil eines neuen Ökosystems wird das so vielen wilden Tieren eine Heimat bietet. Ein überaus schönes Gefühl.
Zurück im Camp, schafft es Ian immer wieder, auch ihre dramatischten Berichte mit humorvollen Pointen zu versehen. Den beiden und ihren Unimog ging es zwischenzeitlich weniger gut, aber Zuversicht strahlen Sie allemal aus. Weniger als drei Wochen bleiben unseren Freunden noch, bevor sie ihren Truck unterstellen und Afrika für die nächsten Monate verlassen. Die Zeit wollen sie optimal nutzen und ebenso wie wir, einige Tage in den Etosha Nationalpark fahren. Uns bleiben noch 12 Tage Zeit, um nach Windhoek zu kommen, wo wir Samanthas Guesthouse hüten sollen. Genug Zeit jedenfalls um ein weiteres Treffen im Etosha Nationalpark zu planen.
Die Stunden vergehen schnell. Sich mit Jemanden auszutauschen, der ähnliche Freuden und Strapazen einer solchen Reise erlebt, tut uns gut.
Nach dem Frühstück verabschieden wir uns von Sue und Ian. Sie werden ebenso wie wir nach Westen aufbrechen, aber bereits in Rundu nächtigen. Wir wollen heute mehr Kilometer hinter uns bringen, um bereits in drei Tagen den Etosha Nationalpark zu erreichen.
Zurück auf der Hauptstraße kommen wir auf dem ordentlichen Asphalt schnell voran. Eine Stunde später bemerken wir am Straßenrand zwei Radfahrer, die dick bepackt eine Steigung hinauf treten. Wir beschließen am nächsten Parkstreifen zu halten und den Beiden etwas Wasser anzubieten. Zuerst nähert sich eine Frau, die erst die Kopfhörer aus den Ohren nehmen muss, um unsere Einladung wahrzunehmen. Danach ein Mann in zerschlissener Warnweste samt breitem Schnauzbart. Die beiden heißen Larissa und Matt und freuen sich tatsächlich über kaltes Wasser und Bananen. Die Spanierin und ihr amerikanischer Lebensgefährte sind letzten Oktober von Barcelona aus in Richtung Süden losgeradelt und wollen im Juli Kapstadt erreichen. So wie wir, mussten sie aufgrund eines Unfalles kurz in die Heimat zurück, um verspätet weiterzureisen. Es gäbe genug zu erzählen und wir bieten ihnen an, sich nächste Woche zu melden. Dann können wir ihnen vielleicht ein Zimmer in Windhoek vermitteln.
Im uncharmanten Rundu halten wir nur zum Tanken, bevor wir die letzten 200 Kilometer in Angriff nehmen. Ines kauft im anliegenden Backshop zwei warme Pies in der Hoffnung, Glück zu haben. Die Teigtaschen sind hauptsächlich mit Fleisch gefüllt, vegetarische Alternativen sind rar. Auf mehrfache Nachfrage erhält Ines die Antwort „no meat, sure no meat“ von den Verkäuferinnen und schlagt zu. Der erste Bissen bringt jedoch die Wahrheit ans Licht. Neben geschmolzenen Käse ertastet Ines Zunge ein Stück Schinken. Ein Blick ins Innere bringt traurige Gewissheit. Wir hätten es wissen sollen: Ham is something different than meat!
Die Nacht verbringen wir in Roy Rest Camp, kurz vor der Regionalhauptstadt Grootfontein. Ines nutzt funktionierendes Internet um ihre Familie anzurufen, Michael telefoniert am anderen Handy mit einem Camp bezüglich einer Reservierung. Nach kurzem Sternenkino am Lagerfeuer gehen wir früh ins Bett. Auch am nächsten Tag erwartet uns eine längere Etappe.
Bei Sonnenaufgang starten wir gemeinsam unser unfreiwillig neues Kaffee Ritual. Immerhin hat sich in den letzten Tagen, die mehrhändige “2-Häferl-Technik“ etabliert und eingespielt, womit wir wieder uneingeschränkt den morgendlichen Kaffee genießen können. Koffeingeladen landen wir in Grootfontein, wo wir reichlich Lebensmittel für die kommende Woche erstehen. Nach Tsumeb macht die Straße einen Knick nach Norden und wir folgen der gut befahrbaren Straße über zwei Stunden lang bis zum Eingang der Campsite. Das Onguma Camp liegt direkt an der Grenze zum Etosha Nationalpark und erstreckt sich über ein riesiges Areal. Darin leben ebenso Wildtiere, die sich am Weg zu unserem Stellplatz aber gut verstecken. Es dauert nicht lange, bis wir ausschwärmen und Feuerholz sammeln. Ähnlich wie zuletzt in Botswana kühlt es am Abend deutlich ab. Wir sitzen samt Jacken am Feuer und lauschen den Geräuschen. Zum Knistern der Flammen brüllt ein brünstiger Impala Bock, zwischen den Ästen drehen Fledermäuse ihre Runden. Ines geht als Erste in den Bus und verpasst etwas Pelziges. Ein Galago oder auch Bushbaby genannt, hüpft von Ast zu Ast. Der niedliche Mini-Primat bringt die dicken Äste kaum zum Schwingen und turnt lautlos über Michi hinweg. Als Ines dazu stößt, ist das Tier bereits am verschwinden. Ein durchaus erfreulicher Besuch vor dem Schlafengehen.
Am Morgen erreicht uns eine überraschende SMS-Nachricht unserer englischen Freunde. Sue und Ian haben uns wider erwarten in den frühen Morgenstunden überholt, womit wir uns früher als erwartet an der Halali Campsite wieder treffen werden. An das staatliche Camp samt dem angrenzenden Wasserloch haben wir gute Erinnerungen. Mitten im Nationalpark gelegen, ist es ohnehin die einzige Alternative um zu nächtigen.
Große Katzen im Etosha Nationalpark
Wir verlassen das Camp und lösen dreißig Minuten später unsere Einfahrtsdokumente. Ines übernimmt den Papierkram am Gate, während Michi die Polizisten überzeugen muss, keine verbotene Drohne mit sich zu führen. Bei der Einfahrt steigt nicht nur die Spannung, sondern auch etwas Nervosität. Die holprige Piste durch den Nationalpark hat uns im Jänner immerhin einen Satz Stoßdämpfer gekostet. Auf den ersten Kilometern präsentiert sich die Schotterpiste aber durchaus moderat und wir verschreiben uns freudig dem Entdecker-Modus, in der Hoffnung spannende Tiere zu finden.
Vor dem ersten Wasserloch fahren wir entlang der sogenannten Fisher‘s Pan in Richtung Norden. Strauße und Zebras trotzen der Mittagshitze und bedienen sich an den trockenen Sträuchern. Erst am dritten Wasserloch begegnen wir den nächsten Tieren. Elf Giraffen, jede Menge Impalas und einige Zebras trinken synchron aus dem seichten Tümpel. Ein guter Ort für ein Mittagessen also. Wir genießen das Treiben und setzen gesättigt die Reise fort. Nachdem wir die Hauptpiste wieder erreichen, wird uns bewusst, dass mehr Fahrzeuge und Menschen als bei unserem letzten Besuch unterwegs sind. Immerhin machen es die vielen Fahrzeuge auch leicht, Tiere zu finden. Wir passieren eine schattige Passage in der zwei Autos halten. Von den Insassen nebenan erfahren wir, dass ein Löwe weniger Meter entfernt ein Schläfchen hält. Leise reihen wir uns hinter dem Fahrzeug ein und entdecken ein goldgraues Stück Fell. Der Löwe liegt flach hinter einem dichten Busch und ist schwer zu erkennen. Wir geben dem Tier mehr als eine Stunde Zeit sich zu bewegen, bevor wir weiterziehen. Als wir am späteren Nachmittag das Halali Camp ansteuern, ertönt ein seltenes Geräusch. Unser Handy samt namibischer Sim-Karte läutet. Ines liest die SMS laut vor. Sue und Ian sind soeben vom Halali Camp abgewiesen worden, da keine Plätze mehr verfügbar sind. Sie müssen in der nächsten Stunde das Gate im Süden erreichen, um keine Strafe zu zahlen.
Die Tore des Parks und der Camps schließen bei Sonnenuntergang. Wer später rein oder raus möchte, wird kräftig zur Kasse gebeten. Wir haben genauso wie unsere englischen Freunde keine Reservierung vorgenommen und schwitzen nun umso mehr. Ian bleiben immerhin 60 Minuten um den schweren Unimog 66 Kilometer durch den Park zu schlängeln, wir sind sogar noch zwanzig Minuten vom Camp entfernt.
Gegen 17:35 parken wir uns vor der Rezeption ein und hoffen auf mehr Glück. Die Mitarbeiterin wirkt wenig erfreut und ist kurz davor uns ebenso abzuweisen. Michi wirft dem Büro des Camps vor, die (nicht existierende) Reservierung verschlampt zu haben und bietet gleichzeitig Lösungen an. Wir würden auch am Parkplatz nächtigen oder hinter einem Sanitärblock, doch die Dame hat andere Vorstellungen. Für einen exorbitanten Betrag könnten wir die Honeymoon Suite beziehen. Wir bitten um Bedenkzeit und gehen wieder ins Freie. Ein Nachtwächter lauscht unserem Gespräch und Ines hat die tolle Eingabe, den Mann unser Dilemma mitzuteilen. Der meint, wir dürften das Camp zu dieser Zeit sowieso nicht mehr verlassen, womit wir ein gutes Argument mit zur Rezeption nehmen. Eine andere Mitarbeiterin lässt sich schließlich überzeugen und gewährt uns Einlass zur Campsite. Tatsächlich ist der Platz völlig überfüllt. Ein paar Quadratmeter neben dem hintersten Waschhäuschen reichen für die Nacht. Wir sind froh und erleichtert als wir uns zu Fuß auf den Weg zum Wasserloch machen. Pünktlicher könnten wir dort kaum ankommen, den drei Nashörner samt einem jungen Kalb erwarten uns dort. Wir finden einen Sitzplatz zwischen Menschen und Stativen und beobachten das Treiben. Zuerst erscheinen einige Schakale, dann eine einzelne Löwin und etwas später betreten zwei Hyänen die Bühne. Unterhaltsames Kino vor dem Schlafengehen ist angesagt.
Nach dem Aufstehen macht sich Michael auf den Weg zur Rezeption. Er möchte per Vorkasse zwei Stellplätze für den Abend reservieren. Die Konversation mit der Rezeptionistin gestaltet sich überraschend unkompliziert und erfolgreich. Nach einem Frühstück am Wasserloch verlassen wir das Camp in der Gewissheit, eine weitere Nacht bleiben zu können und unsere beiden Freunde diesen Abend wiederzusehen.
Auf der Karte haben wir einen Pfad entdeckt, den wir am Morgen erkunden möchten. Auf der ramponierten Piste müssen wir immer wieder über Sträucher und Geröll fahren, was Michis Laune wenig hebt. Die Tiere zeigen uns ebenso den Mittelfinger und lassen sich nicht blicken. Erst als die Piste wieder besser wird, kommt das Glück zurück. Der Fahrer eines entgegenkommenden Pick-Ups gibt uns einen Hinweis auf drei Löwen, die sich in der Nähe aufhalten. Wir fahren nur wenige Meter weiter und entdecken tatsächlich die Tiere unter einem Baum liegend. Von einem anderen Baum nähern sich noch weitere Löwen. Fernglas und Objektiv helfen beim Erkennen. Insgesamt sieben Löwen, dazu zwei winzige Löwenbabies versammeln sich im Schatten. Kein anderes Fahrzeug weit und breit – wir dürfen die großen Katzen in aller Ruhe beobachten. Mehr als eine Stunde verbringen wir neben den Tieren, Mittagessen auf dem Dach inklusive. Danach fahren wir weiter zum Rand der Etosha Pfanne, wo wir uns die Füße vertreten können. Einige andere Fahrzeuge parken sich hinter uns ein, wobei ein Fahrer aussteigt und sich unserem Bus nähert. Der gebürtige Kärntner Kurt und seine Frau Maike erkennen das österreichische Kennzeichen und stellen sich lächelnd vor. Zwei sympathische Zeitgenossen, die wir auf unser Dach einladen. Es stellt sich heraus, das die Beiden in Hamburg leben, wohin sie uns auch prompt einladen.
Nach dem wir uns von ihnen verabschieden, lassen wir es uns nicht nehmen, ein paar Schritte auf die raue Salzkruste zu setzen. Nach einigen Fotos geht’s zurück zu den Löwen. Allesamt sitzen sie nun unter einem anderen Baum, der offensichtlich mehr Schatten spendet. Wiederum kein Fahrzeug weit und breit. Zufrieden fahren wir Richtung Westen weiter. Einige Wasserlöcher wollen wir noch abklappern und den sogenannten “Rhino Drive“ erkunden.
Bereits am zweiten Wasserloch machen wir eine tolle Entdeckung. Aus der Entfernung erkennt Michi schon die Konturen und Umrisse. Es ist der Unimog von Sue und Ian, der mit der Front zum Wasserloch steht. Freudige Gesichter erwarten uns, als wir uns langsam neben ihnen einparken. Aussteigen ist verboten, womit wir eine Fenster zu Fenster Unterhaltung führen. Obwohl wenig Animalisches am Wasserloch zu sehen ist, wollen die beiden etwas ausspannen und bleiben. Wir freuen uns auf das Treffen im Halali Camp später und brechen zu unserer letzten Etappe des Tages auf. Anfangs noch gut zu befahren, zeigt der “Rhino Drive“ bald seine garstige Seite. Tiefe Löcher und Unmengen an Ästen, verlangsamen das Weiterkommen. Immerhin entdecken wir fünfzig Meter neben der Piste eine Elefanten Herde, die frisch gebadet an uns vorbeizieht.
Zurück im Camp warten Sue und Ian bereits am Stellplatz neben uns. Von den anderen Gästen des Camps haben wir das morgendliche Ritual übernommen und per Tisch, Sessel und Wäscheleine zwei schöne Plätze im hintersten Winkel reserviert. Unsere Freunde sind fündig geworden. Gemeinsam starten wir zum Wasserloch, wo dieselben Tiere wie am Vortag ihren Durst stillen. Nashörner und Schakale stehen zuerst am Programm. Es fühlt sich an, wie mit Freunden ins Kino zu gehen.
Sue und Ian brechen schon um sieben Uhr zu ihrer ersten Pirschfahrt auf, teilen uns vorher noch mit, dass sie eine weitere Nacht bleiben wollen. Wir brauchen etwas länger um in die Gänge zu kommen und entscheiden uns nach dem Frühstück, ebenso zu verlängern. Währenddessen treibt ein Raubtier neben uns sein Unwesen. Ein Honigdachs ist am Gelände auf der Suche nach essbaren Resten. Als wir aufbrechen, wünschen wir uns, auf Leoparden oder Geparden zu treffen. Unser imaginäres afrikanisches Tieralbum ist fast vollständig – nur die beiden Katzen fehlen noch. Zuerst sind Giraffen an der Reihe. Etwas später sehen wir Springböcke und Impalas. Am selben Wasserloch, wo wir am Vortag Sue und Ian getroffen haben, parken unsere Freunde abermals. Sue hat einen seltenen Vogel per Fernglas fixiert und blättert mit der freien Hand in ihrem Vogelkunde Buch. Als die Beiden genug gesehen haben, folgen sie uns für einen Streckenabschnitt.
Entlang der Pfanne weht kräftiger Wind, der den Horizont grau färbt. Die Wasserlöcher entlang der Route sind trocken und Tiere somit ebenso abwesend. Nach zwei trüben Stunden schlagen wir eine andere Route ein, während Sue und Ian zurück zu ihren gefiederten Lieblingen fahren. Gerade als Michi auf der Hauptpiste wieder etwas aufs Gas drückt, gelingt Ines der große Coup. „Leopard, Leopard!“ schreit sie. Michi bremst sanft und legt den Rückwärtsgang ein. Tatsächlich liegt auf einem nahen Anabaum ein prächtiges Exemplar. Zehn Meter vor dem Baum stellen wir den Motor ab und öffnen langsam die Fenster. Der Leopard sieht zu uns hinunter und schließt gleich wieder die Augen. Gut so – wir wollen das Tier ja nur beobachten. Die gefleckte Katze hält ihr Schläfchen, gähnt immer wieder und zeigt dabei ihr kräftiges Gebiss.
Eine großartig Entdeckung. Es regnet Dankesküsse auf Ines, bevor Michi sachte die Dachluke öffnet. Nur wenige Minuten lang hält die Idylle an. Ein Leihauto stoppt neben uns und erkundigt sich nach dem Grund unseres Halts. Wir deuten mit den Fingern und flüstern dem Lenker zu, dass es sich um einen Leoparden handelt. Die Männergruppe im Fahrzeug freut sich, kann sich jedoch nicht benehmen. Ihren Pick-up manövrieren sie hin und her um einen perfekten Blickwinkel zu erhalten, dabei unterhalten sie sich lautstark. „Mensch, der bewegt sich“ ertönt es aus dem anderen Auto. Der Schlaumeier hat recht. Dem Leoparden wird’s zu bunt und er hüpft vom Baum. Nach wenigen Schritten lässt er sich hinter einem dichten Busch wieder fallen. Von unserem Fahrzeugdach ist zumindest ein Teil des Körpers noch sichtbar. Die Hoffnung auf eine weitere Sichtung schwindet, als zunehmend Fahrzeuge halten um ebenso den Leoparden zu sehen. Erst nach über einer Stunde erhebt sich die große Katze wieder und ist sagenhafte drei Sekunden auf den Beinen, bevor sie umkippt und weiterdöst.
Wir wollen die Nachmittagsstunden noch weiter auskosten und fahren dorthin, wo wir am Tag zuvor die Löwen entdeckt haben. Dort finden wir aber keine Spur des Rudels. Umso erfreulicher sind die nächsten Entdeckungen. Zuerst lässt sich eine gelbe Fuchsmanguste blicken, danach zwei Fledermausohr Füchse. Die putzigen Zeitgenossen samt ihren überdimensionalen Ohren sind ein willkommenes Highlight. Sie ernähren sich hauptsächlich von Termiten und sind anscheinend gerade am ausbuddeln ihres Abendessens. Als die Sonne tiefer sinkt, brechen wir zum Camp auf. Duschen, Abendessen und Wasserloch-Kino mit Freunden steht dort am Programm. Zu einer Flasche Rotwein lassen wir den Abend gemeinsam ausklingen. Sue und Ian werden zurück nach Osten fahren. Wir haben andere Pläne und möchten am Weg Richtung Süden noch beim Waterberg Halt machen.
Am frühen Morgen heißt es dann Abschied nehmen. Ob wir Sue und Ian auf afrikanischen Boden wiedersehen bleibt ungewiss. Die Gespräche mit ihnen waren stets eine Bereicherung. Ihre humorvolle Art mit den afrikanischen Herausforderungen umzugehen, wird uns fehlen.
Tierische Besucher am Waterberg
Nach drei Nächten im Halali Camp machen wir uns auf zum südlichen Gate des Nationalparks. Unser Permit läuft mittags ab, spätestens dann müssen wir den Park verlassen. Auf der letzten Etappe begegnen uns kaum Tiere. Zwei Oryx-Antilopen, einige Zebras und ein Elefant lassen sich auf unserer Abschiedstour blicken. Den Park verlassen wir pünktlich und quartieren uns nach einer weiteren Stunde Fahrt im Mondjila Camp ein. Michael schafft es, den Bus rückwärts (und obendrein bergab) in den kleinen Stellplatz zu parken. Eine ruhige Nacht sollte gesichert sein. Die Nachmittagsstunden werden jeweils lesend verbracht, bevor wir abends ein prächtiges Lagerfeuer entfachen. Eine ganze Woche musste Michi ohne herzhaftes Brot auskommen, nun macht sich Ines wieder ans Werk. Nach einem umfassenden Schmaus gehen wir zeitig schlafen. Am nächsten Tag liegt eine lange Etappe samt Schotterpiste vor uns.
Unsere Reise nach Süden beginnt früh am Morgen. Die Landschaft flacht zunehmend ab, bevor wir die Regionalhauptstadt Otjiwarongo erreichen. Der Auswahl im örtlichen Superspar können wir nicht wiederstehen und langen ordentlich zu. Unter anderem plündern wir die Salatbar und erstehen ein warmes Törtchen. Gut gerüstet für drei Tage Wildnis am Waterberg setzen wir die Fahrt fort.
Erst spät erkennen wir zu unserer linken Seite die westliche Flanke des großen Tafelbergs. Der Waterberg erstreckt sich über eine Länge von knapp 50 Kilometern und ist dabei 15 Kilometer breit. Auf dem Plateau findet sich ein Nationalpark der sogar Nashörner beheimatet. Am Nachmittag verlassen wir den Asphalt und biegen auf die holprige Zufahrtsstraße ab. 35 holprige und sehr lange Kilometer liegen noch vor uns. Michi findet eine Spur, die befahrbar ist und leidet dennoch hinterm Steuer. Am Eingang des Waterberg Wilderness Camps glauben wir das Schlimmste hinter uns zu haben. Doch leider gestalten sich die letzten drei Kilometer bis zu den Stellplätzen als ungemein herausfordernd. Im Internet haben wir vorab keinen Hinweis erhalten, dass das Camp nur per Allrad-Fahrzeug zu erreichen ist, nun muss der Bus über sich hinauswachsen.
Tiefer Sand wechselt sich mit Geröll ab, dazwischen breite Rinnen und Löcher durch die wir kriechen. Der Bus droht mehrmals steckenzubleiben oder aufzusitzen, doch Michael schafft es irgendwie, unser tapferes Gefährt sicher durchs Gelände zu bringen. Auch den steilen Hügel bezwingen wir mit Bravour und werden mit einem hübschen Plätzchen direkt an der Bergkante belohnt. Wie immer inspizieren wir vorab zu Fuß den Stellplatz um Niveau und Bodenbeschaffenheit zu testen. Als Michi den Bus in Position bringen will, streikt plötzlich das Getriebe. Sowohl der erste Gang, als auch der Rückwärtsgang sind nicht zu betätigen. Nach einigen Versuchen gelingt es Michi immerhin den Bus an der richtigen Stelle zu parken. Dicke Sorgenfalten machen sich breit. Michi durchforstet ein Reparaturbuch und macht sich mit dem Aufbau eines Getriebes vertraut. Dazu sucht er per iOverlander-App mehrere Werkstätten in Windhoek aus, die uns helfen könnten. Ines darf Trost spenden und entdeckt vor unserem Bus eine niedliche Ablenkung. Zwei Dik-Diks grasen genüsslich neben unserem Bus und sind dabei wenig scheu. Wir beobachten die Beiden und machen uns vor Sonnenuntergang auf zu einem Spaziergang. Entlang der Bergkante führt ein 1200 Meter langer Trampelpfad zur Bar des Camps. Ein Drink und eventuell Wifi sollen unsere Stimmung wieder heben. Entlang des Pfades laufen uns Paviane und Mangusten über den Weg. Die Geräusche ringsum und die vielen Tierspuren lassen uns manch Sorge um den Bus verdrängen. Die Bar selbst ist angenehmerweise leer, womit der witzige Kellner uns etwas Gesellschaft leistet. Dabei verneigt er sich laufend wie ein britischer Butler und bringt uns ungewollt zum Schmunzeln. „No internet tonight, because of the clouds“ meint er. Wir können am Himmel zwar keine Wolken erkennen, geben uns aber mit der Antwort zufrieden. Von ihm erfahren wir, dass man nur samt Guide das Plateau erklimmen kann und beschließen am kommenden Morgen eine Wanderung zu starten.
In der klaren Nacht nutzen wir alle Decken und Schlafsäcke um der Kälte zu trotzen. Nach zwei Tassen Kaffee hoffen wir sehnsüchtig, dass die ersten Sonnenstrahlen etwas Wärme liefern. Am Treffpunkt stellt sich unser Guide vor. Der Nachkomme von Buschmännern hört auf den Namen Johannes und soll uns zur Kante des Waterbergs bringen. Der kleingewachsene Mann macht seine Sache gut und hält bereits beim Aufstieg mehrmals an, um uns auf seltene Pflanzen oder auf Tierspuren hinzuweisen. Oben am Plateau wuchert dichtes Gestrüpp und hohe Bäume. Dazwischen verläuft ein schmaler Pfad, den auch Tiere nutzen. Wir steigen über große Büffelfladen, viele Giraffenbällchen und über die Hinterlassenschaften von Nashörnern. Mehr als eine Stunde laufen wir im Zigzag-Kurs, bevor wir die Kante erreichen. Der Ausblick ist überaus schön. Ganz hinten am Horizont vermischt sich der hellblaue Himmel mit der grünen Savanne der Kalahari. Vor uns die kaminroten Steilwände des Tafelbergs. Ein besonders guter Ort für unser Frühstück. Wir würden hier länger bleiben, doch Johannes drängt mittags zur Rückkehr.
Zurück im Camp holt uns die Realität ein. Michael macht es sich unter dem Bus gemütlich, entfernt mühevoll den verkrusteten Schlamm und duscht den Bus unten rum ab. Die beiden Dik-Diks kommen wieder zu Besuch und sorgen für Ablenkung. Nach dem Abendessen marschieren wir zur Bar, wo ein Glas Rotwein auf uns wartet. Nicht nur ein nettes Paar aus Freiburg, sondern auch ein ausgewachsenes Stachelschwein leistet uns Gesellschaft. Im Lichtkegel der Taschenlampe fühlt sich das Tier aber weniger wohl und macht rasch einen Abgang. Zurück im Camp wärmen wir uns mit einem Lagerfeuer. Kurz bevor wir zu Bett gehen tauchen zwei Ginsterkatzen aus der Dunkelheit auf und statten uns einen letzten tierischen Besuch am Waterberg ab.
Am Morgen ist es soweit. Der Bus erhält den Auftrag durchzuhalten. Zuerst drei grausliche Kilometer, dann 35 unschöne. Nach weiteren 260 Kilometern wollen wir am frühen Nachmittag die Werkstatt in Windhoek erreichen. Der erste Gang streikt weiterhin, der Retourgang ebenso. Die ersten Kilometer bezwingen wir dennoch rascher als erwartet. Die Rumpelpiste zur Hauptstraße fordert hingegen ihren Tribut. Nach vielen Schlägen, ist es unsere Nase, die etwas wahrnimmt. Öl- oder Treibstoffgeruch liegt in der Luft. Zurück auf der Hauptstraße biegen wir bei erster Gelegenheit auf einen Parkstreifen ab und gönnen unserem Gefährt eine Pause. Michi legt sich unter die Vorderachse und taucht mit schlechten Nachrichten wieder auf. Ein Stoßdämpfer hat die Fahrt nicht überlebt und verliert jede Menge Öl. Alles links entlang der Achse ist ölig und verdreckt. Die letzten vier Stunden werden also eine Fahrt auf rohen Eiern. Jede Bodenwelle schmerzt, die Hände krampfen am Lenkrad.
Es gelingt uns, Mast’s Garage im Norden Windhoeks sicher zu erreichen. Der deutschsprachige Chef Dieter nimmt sich prompt Zeit und bringt neue Hoffnung. Die Stoßdämpfer sind eventuell lagernd und das Getriebe können sie ebenfalls inspizieren, meint der kompetente Werkstättenleiter. Leider erst Morgen früh, denn am Nachmittag reicht die Zeit nicht mehr. Mit etwas neuer Hoffnung im Hinterkopf machen wir uns auf den Weg zu Samanthas Guesthouse. Wir sind gespannt, wie es ihr im letzten halben Jahr ergangen ist und gespannt darauf, welche Aufgaben auf uns zukommen. Mindestens vier Tage lang sollen wir ihren Laden schupfen. Dazwischen müssen wir den Bus wieder auf Vordermann bringen.
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Xandalph! (Samstag, 30 Juni 2018 12:40)
Toll, dass ihr es doch noch geschafft habt einen Leoparden zu sehen, was für ein krönendes Highlight eurer Reise.
Auf dem Plateau wären wir auch gerne herum spaziert, die Aussicht ist ja atemberaubend!
Dickes Bussi