Von Windhoek bis zum Mars
Nach dem Kurzbesuch in der Werkstatt steht fest: das Action-Pensum an diesem Tag ist ausgeschöpft! Nur mehr wenige Kilometer trennen uns von Windhoek und Samanthas Zuhause. Erholsame Stunden sind also in Sicht. Obendrein freuen wir uns seit Tagen auf die Annehmlichkeiten eines Haushalts. Ines träumt von rotierenden Wäschetrommeln und Geschirrspülern, Michael sehnt sich nach Staubsaugern und stabiler Internetverbindung.
Das Wiedersehen mit Samantha verläuft heiter. Nicht nur sie, sondern auch ihre Tochter Cara und der gesamte Zoo, inklusive dem vierbeinigen Aushilfsmechaniker Garfield, kommen zur Begrüßung. Es wird gegrillt, wir lernen dabei Samanthas neuen Freund Andries kennen und erhalten ein Briefing für die kommenden Tage. Unser Zimmer beziehen wir im Haupthaus, von wo aus wir die nächsten Tage operieren sollen. Die Rückkehr nach Windhoek, in den “sicheren Hafen“ inmitten von Freunden, fühlt sich gut an.
Pünktlich um 8:00 morgens sind wir zurück in “Mast’s Garage“, wo gleich zwei Mechaniker mit einer genauen Inspektion beauftragt werden. Der Werkstättenleiter Dieter und sein Sohn Wilko legen ebenso Hand an und entpuppen sich als Experten ihres Fachs. Zum ersten Mal, muss Michi bei einem Werkstattbesuch nicht mit anpacken. Ganz nehmen lässt er sich die Arbeit trotzdem nicht und assistiert nebenbei. Ines hat den Campingstuhl in der Sonne platziert und füllt ihr Tagebuch.
Die neuen Stoßdämpfer passen überraschenderweise nicht exakt und müssen auf namibische Art zu Recht geschnitten werden. Eine Flex hilft dabei, Passendes noch passender zu machen, worauf der Einbau erfolgreich erledigt werden kann. Die Probleme mit der Schaltung sollten nach einer gründlichen Reinigung des Gestänges und der Getriebehebel wieder verschwunden sein, meint Wilko. Zuletzt lassen wir noch sämtliche Flüssigkeiten und Filter tauschen, lassen die Spur vermessen und bedanken uns nach dem mehrstündigen Aufenthalt bei den kompetenten Männern. Der Bus fährt sich am Heimweg spürbar besser, unsere Erleichterung ist dementsprechend groß. Gefühlte 43 Tonnen Last fallen von Michis Schulter.
Zurück im Guesthouse gibt’s erfreulich wenig zu tun. Die drei älteren Damen aus Amerika sind angenehme und genügsame Gäste. Ines kann sich also entspannt dem Wunderwerk Waschmaschine widmen, Michael schnappt sich den Staubsauger und reinigt den Bus.
Etwas Sorgen bereiten uns derweilen, die ausstehenden Antworten der Speditionen. Mehrere E-Mails hat Michi in den letzten Tagen versendet, ohne auch nur eine Antwort zu erhalten. Immerhin soll unser Bus in den nächsten 6 Wochen wieder die Heimreise antreten. Als Michi zunehmend auf Nadeln sitzt, ruft er beim namibischen Logistikpartner an um Infos zu bekommen. Er erfährt, dass zwei Containerschiffe in den nächsten Wochen nach Deutschland fahren, wobei der spätere Termin besonders in Frage kommt. Buchen können wir bei der namibischen Firma nicht, ohne vorher zumindest die Entladung der Fracht in Hamburg arrangiert zu haben. Bevorzugt mit der Firma, die seit Tagen nicht antwortet. Klingt kompliziert, ist es auch.
An den nächsten Tagen vergeht die Zeit wie im Flug. Unsere Sehnsucht nach einem Haarschnitt wird endlich gestillt. Ines Flip-Flops lösen sich unvermittelt auf und bescheren uns einen weiteren Grund in die riesige Grove Mall zu fahren. Sue und Ian können wir vor ihrer Rückreise nach England leider nicht mehr zu treffen, dafür kommen zwischenzeitlich Larissa und Matt samt ihren Fahrrädern unserer Einladung nach. Wir begrüßen sie offiziell als unsere Gäste und laden sie am Abend zu einem Essen auf der großen Terrasse ein. Sie wollen drei Nächte bleiben, bevor sie Richtung Kapstadt weiterradeln. Der Betrieb läuft, Ines zaubert allen Gästen Frühstück und schupft den Haushalt. Einzig der widerspenstigen Gockel Mumbles, Samanthas absoluter Liebling, bereitet uns zeitweise Ärger. Sobald er einen Moment aus den Augen gelassen wird, kackt und kotzt er ausgiebig auf die Terrasse.
Als wir am Ende der Woche eine erlösende Antwort aus Deutschland erhalten, machen wir uns langsam bereit weiterzuziehen. Die letzten Verschiffungsdetails wollen wir unterwegs per Telefon und E-Mail klären. Sauber und aufgeräumt, wie seit Monaten nicht mehr, wird unser Bus die letzten Wochen durch Afrika düsen. In den Süden soll es gehen und anschließend parallel zur südafrikanischen Grenze nach Westen, wo wir den Atlantik erreichen wollen.
Als Samantha von ihrem Angel Trip zurückkehrt, scharren wir schon mit den Hufen. Nach einem ordentlichen Braai am Abend, lassen wir noch ausgiebig Würfel übers Pokerbrett fliegen und landen erst spät im Bett. So starten wir am nächsten Morgen erst gegen 10:00 unseren fahrbaren Untersatz und verlassen Windhoek. Ines hat bei Mariental einen gut bewerteten Stellplatz entdeckt, den wir am Nachmittag erreichen wollen.
Wenige Kilometer außerhalb von Windhoek steigt bereits wieder der Wildnis-Faktor. Berge ragen links und rechts der Fahrbahn empor, Tiere verschwinden im Gebüsch als wir passieren. Eine Stunde später öffnet sich die Landschaft und nur wenige markante Punkte bleiben am Horizont übrig. Die Hälfte der Distanz ist geschafft, weniger als 150 Kilometer liegen noch vor uns. Michael ist sichtlich glücklich, dass der treue Bus wieder rund läuft. Brauchbarer Asphalt trägt ebenso zur guten Laune bei. Östlich der Hauptstraße gibt es bald nichts mehr zu entdecken. Die Kalahari dringt soweit ins Landesinnere vor, dass sich hier keine Siedlungen gebildet haben. Erst vor unserem Ziel, der Bastion Farmyard Campsite, finden sich wieder einige Häuser die die Ortschaft Mariental bilden. Als wir am Camp ankommen, staunen wir nicht schlecht. Rings um das Gelände erstrecken sich grüne Felder. Zwei moderne Traktoren begegnen sich zur untergehenden Sonne an einem Feldweg, die Fahrer grüßen sich - ein Bild das aus der Heimat stammen könnte. Als wir später zu Bett gehen, ist es draußen richtig kalt. Die Temperatur im Freien ist wieder mal einstellig, drinnen schafft der Heizstrahler etwas Abhilfe.
Die Strecke von Mariental weiter in den Süden ist ebenso unspektakulär, wie der Abschnitt am Vortag. Endlose Weite, keine Berge, keine Menschen weit und breit. Trotzdem oder vielleicht genau deswegen, gefällt‘s uns ganz gut.
Am Nachmittag erreichen wir Keetmanshoop. Hier gabelt sich der Weg ein letztes Mal. Geradeaus mündet die B1 in Südafrika. Wir biegen nach Westen ab, wo uns die B4 zum Atlantik nach Lüderitz bringen soll. Durch zerklüftete Felslandschaften, vorbei an den Tirasbergen und der Namib Wüste bis ins sogenannte Sperrgebiet das Lüderitz umgibt.
Schon unsere ersten Kilometer auf der B4 beginnen vielversprechend. Bei tief stehender Sonne steuern wir unseren Bus in Richtung Goageb, wo wir übernachten wollen. Die Landschaft ist tatsächlich beeindruckend. Tafelberge in allen Höhen und Längen, dazwischen enge Serpentinen und roter Sand am Horizont. Jede Menge Ausblicke die auch während der Fahrt dazu einladen, die Seele baumeln zu lassen.
Kurz vor Goageb erreichen wir das Camp am Rande einer kleinen Lodge. Der Besitzer ist offensichtlich ein Freund besonderer Antiquitäten. Eine Tankstelle aus den 50er Jahren und mehrere Wracks aus ähnlicher Generation zieren die Einfahrt. Wir finden uns wiedermal alleine auf einer Campsite und besuchen vor Einbruch der Dunkelheit noch das kleine Museum des Besitzers. In zwei Glashäusern stellt der passionierte Wüstenfreund seine Sammlung aus. Es handelt sich um Lithopse, eine Gattung sukkulenter Pflanzen, die man nur im südlichen Afrika findet. Die kleinen Pflänzchen kommen fast gänzlich ohne Wasser aus und bilden interessante Formen. Kleine rote Säulen, grüne Gehirne oder gelbe Radiergummis wachsen aus den steinigen Töpfen.
Danach kann Michi per Telefon noch die Spedition aus Namibia erreichen und erhält dabei gute Nachrichten. Unser Ansprechpartner kann uns in den kommenden Tagen ein Angebot senden und zwischenzeitlich vor Ort die Logistik planen.
Das Lagerfeuer an diesem Abend fällt groß aus. Die Temperatur sinkt auf 6 Grad und wir türmen großzügig Ast auf Ast. Michi verschwindet immer wieder einige Momente in der Dunkelheit um seiner Liebsten frisches Brennmaterial als Zeichen seiner glühenden Wertschätzung zu bringen. Ordentlich romantisch geht’s auch über uns zu. Wir sitzen direkt am südlichen Wendekreis unter einer funkelnden Decke aus Sternen. Kein Geräusch ist zu hören, nur das Knistern der brennenden Äste.
Am frühen Morgen begrüßt uns zwar die Sonne, ihrer Kernkompetenz, dem Erzeugen von Wärme, ist sie jedoch nur zaghaft nachgekommen. Es ist saukalt und wir zünden zum morgendlichen Kaffee gleich noch mal das Lagerfeuer an.
Zurück auf der Bundestrasse geht’s weiter in Richtung Westen. Mehr als 1000 Höhenmeter niedriger und weniger als 300 Kilometer entfernt wartet der Atlantik auf uns. Nach dem wir den kleinen Ort Aus passiert haben, halten wir Ausschau nach etwas Seltenem. Westlich von Aus soll regelmäßig einen Herde von wilden Pferden grasen. Ines entdeckt tatsächlich ein einzelnes Exemplar, das wunderbar ins Szenario passt. Danach erkennen wir drei weitere Pferde, die ordentlich futtern. Als wir später die Ausläufer der Namib Wüste passieren, machen wir Halt und erklimmen das Dach. Außer der asphaltierten Straße neben uns, findet sich kein Hinweis auf Zivilisation. Je weiter wir nach Norden sehen, umso rötlicher leuchten die Dünen, umso unwirklicher sieht die Landschaft aus. Wenn es einen Platz auf Erden gibt, auf der man ein Video einer Marslandung fingieren kann, dann ist es sicherlich diese Weite vor uns.
Die Pinguine von Namibia
Vor der Atlantikküste ersetzen gelbe Dünen ihre roten Vorgänger. Aus dem Sand ragen immer wieder schwarze scharfkantige Felsen. Wir fahren durch das sogenannte Sperrgebiet. Der Name ist Programm. Vor 110 Jahren wurden hier erstmals Diamanten gefunden. So viele, dass ein regelrechter Run auf die Region ausgebrochen ist. Obwohl bis ins späte 20.Jahrhundert noch Funde verzeichnet wurden, gilt das Vorkommen als größtenteils erschöpft. Um etwaigen Schatzsuchern vorzubeugen und die seltenen Tiere der Gegend zu schützen, wurde ein Nationalpark ins Leben gerufen, der nur mit Sondergenehmigung betreten werden darf.
Auf einer Anhöhe können wir bereits den Atlantik erkennen und erreichen kurz darauf Lüderitz. Nicht nur der Anblick des Wassers, vorallem eine kühle Brise sorgt in hier für Abkühlung. Michi steuert den Bus durch den Ort, vorbei am Hafen auf dem Weg zur vorgelagerten Halbinsel Shark Island. Dort findet sich direkt auf den Klippen ein spektakulärer Campingplatz, den wir ebenso für uns alleine haben. In diesem Moment realisieren wir, dass wir Afrika zum zweiten Mal gequert haben. Ein Gefühl tiefer Freude und ein kleinwenig Stolz überkommen uns. Mehr als 13.000 lange, spannende, glückselige, anstrengende und demütige Kilometer liegen hinter uns.
Den Spaziergang zurück in den Ort wollen wir nutzen um für den kommenden Morgen eine Bootsfahrt zu den Pinguinen zu buchen. Nach einem kurzen Abstecher in den Spar Supermarkt werden wir fündig. Ein kleiner Souvenirladen, der von einer alten Dame betrieben wird, verkauft Tickets. Sie will wissen mit welchem der beiden Anbieter wir in See stechen wollen. Während dem interessanten Plausch mit der Dame, erinnert sich Ines wieder an den Tipp, den wir vor einem halben Jahr erhalten haben. Aus dem hintersten Winkel ihrer Speicherplatte zieht Ines den Ratschlag hervor, den uns Sabine und Karl vor Monaten bei einem Frühstück in Windhoek gegeben haben: Es ist der kleinere Anbieter mit dem älteren Katamaran, der die besseren Touren anbietet! Die diplomatische Ladenbesitzerin gibt uns nach dem Entschluss schmunzelnd zu verstehen, dass wir die richtige Wahl getroffen haben.
Auch uns hat das Grinsen angesteckt, denn zufriedener könnten wir kaum sein. Die Vorfreude auf unsere absoluten Lieblingsvögel und Wappentiere (sofern wir eines haben sollten) steht uns ins Gesicht geschrieben. Hand in Hand wandern wir zurück zur Halbinsel und erleben einen Sonnenuntergang, der goldener kaum sein könnte. Die letzten Sonnenstrahlen treffen unseren Bus, der seit der letzten Reparatur wieder zu Höchstform aufgelaufen ist. Zum Abendessen gönnen wir uns Rotwein und lauschen dem Meer. Einmal noch Schlafen, dann besuchen wir die Pinguine.
Am nächsten Morgen ist es windig und klar. Bevor wir dick bekleidet den Campingplatz verlassen, hält uns noch der freundliche Mitarbeiter des Camps auf und beginnt zu quatschen. Wir sind etwas unter Zeitdruck und verschieben das Gespräch auf später, wobei Michi den Mitarbeiter nebenbei davon überzeugen kann, uns runter zum Hafen zu fahren. Auf der Ladefläche von Shilongos kleinem Pick-Up klappern wir erstklassig afrikanisch zur Anlegestelle.
Dort wartet Heiko auf uns. Wie der Name vermuten lässt, spricht der Namibier gutes Deutsch und begrüßt uns freundlich auf seinem Boot. Der Mann in seinen späten Fünfzigern ist leidenschaftlicher Seefahrer und freut sich jeden Tag aufs Neue, Passagiere zu den Pinguinen bringen zu dürfen. Unsere gefiederten Lieblinge brüten gerade auf Halifax Island, etwas weniger als eine Stunde vom Festland entfernt. Am Weg dorthin erklärt uns Heiko allerhand Interessantes über Zugvögel, Robben und die zahlreichen Delphine, die rund um die Bucht von Lüderitz leben. Er möchte wissen, was uns in die Gegend geführt hat und ist von unserer Antwort recht angetan. Heiko selbst, hat in seinen späten Dreißigern seine Frau und seinen Sohn geschnappt und ist mit ihnen auf unbestimmte Zeit losgesegelt. Dabei sind sie wenige Wochen nach der Abfahrt, bereits mitten im Atlantik, draufgekommen dass seine Frau schwanger ist. Rechtzeitig vor der Geburt haben sie die Karibik erreicht, wo sein zweiter Sohn gesund zur Welt gekommen ist. Elf Jahre war die Familie durchgehend auf den Weltmeeren unterwegs, bevor sie ihre afrikanische Heimat wieder betreten hat. Selbst die Kurzfassung seiner Reise ist inspirierend.
Als sich der Kaffee in unserer Kanne dem Ende zuneigt, ist es soweit. Vor Halifax Island drosseln wir das Tempo und legen die Ferngläser zur Seite. Die putzigen Pinguine sind bereits ohne Sehhilfe zu entdecken. Betreten darf die Insel nur von Forschern werden, alle Normalsterblichen müssen die Tiere vom Boot aus begutachten. Wir lassen uns treiben, beobachten die unterhaltsamen Spaßvögel. Ein dreistes Exemplar schubst einen anderen ins Wasser während andere die glitschigen Felsen hochwatscheln. Von “äußert geschickt“ bis “dezent tollpatschig“ liefern die putzigen Inselbewohner eine großartige Vorstellung ab. Was wir vorher schon wussten, wird nun zur Gewissheit: Pinguine beobachten macht glücklich!
Als der Katamaran wieder Kurs zurück zum Festland aufnimmt, schwimmen 5 Pinguine knapp an uns vorbei. Wir können nicht anders und winken der Abschiedsdelegation zu. Einige Kilometer von der Insel entfernt, interessiert sich noch ein anderer Meeresbewohner für uns. Ein Delphin taucht im Eiltempo neben uns her und hat sichtlich Spaß an dem Rennen. Eine Kostprobe seiner Sprungkraft demonstriert er als Zugabe. Bis zur Bucht von Lüderitz begleitet uns der graue Meeressäuger, bevor er mit sprudelnder Leichtigkeit abtaucht.
Der Blick aufs Festland ist ebenso spektakulär. Nördlich der Stadt fallen die Dünen der Namib Wüste direkt in den Atlantik und bilden an der Stelle eine sichelförmige Bucht. Dort am sogenannten Agate Beach treffen sich am Abend nicht nur Einheimische zum Grillen, sondern gelegentlich auch wilde Tiere wie Oryx Antilopen oder Strandwölfe, erzählt uns Heiko. Als wir am späten Vormittag anlegen verabschieden wir uns von unserem Skipper und bedanken uns für den Ausflug. Nahe dem Hafen stärken wir uns im Garden Cafe mit hausgemachtem Käsekuchen und Rooibos-Eistee, bevor wir zu Fuß den Ort erkunden.
Die bunten Jugendstilfassaden des einstigen deutschen Hafens versprühen nostalgischen Charme. Jedes der Häuser kann Geschichten erzählen, manche sind äußerlich sogar bestens in Schuss. Wir folgen der sogenannten Vogelsang Straße, vorbei an der Lesehalle und der Kegelbahn bis wir später den höchsten Punkt der Stadt erreichen. Dort oben neben der Felsenkirche wird wieder gerastet bevor wir zurück ins Camp wandern, wo Ines leckeres Essen deponiert hat.
Während der leiblichen Stärkung heckt Michi einen Plan aus, um nach Agate Beach zu kommen, ohne unseren Bus dafür quälen zu müssen. Er spricht Shilongo, den hilfsbereiten Mitarbeiter des Camps, an und kann ihn tatsächlich überzeugen, seinen Posten für 2 Stunden zu verlassen. Auf der bereits bekannten Ladefläche seines Pick-Ups ist es durchschnittlich bequem aber umso authentischer. Reich an Safari-Erfahrung sucht sich Ines gleich ein windstilles Plätzchen hinter der Fahrerkabine. Nach 10 Minuten erreichen wir die Schotterpiste, die zwischen den Dünen zum Strand führt. Bei einer Gruppe Oryx Antilopen machen wir Halt und entspannen unsere Gelenke.
Als wir das Meer erreichen, verlassen wir das Fahrzeug und erfahren von Shilongo bei einem Strandspaziergang interessante Geschichten über das sensible Ökosystem vor Ort. Wir stecken die Hände ins kalte Meerwasser und verstehen, warum sich Pinguine hier wohl fühlen. Hartgesottene Einheimische springen manchmal in die 12 Grad kalten Fluten, wir gehören an diesem Tag nicht dazu. Zwischen zahlreichen Bündeln Seegras stapfen wir zurück zum Fahrzeug, wo wir Gesellschaft bekommen. In einer uns fremden Sprache tratscht unser Guide mit zwei Einheimischen. Kurz darauf springt ein Mann auf den Beifahrersitz, während eine stattliche afrikanische Dame sich zu uns auf die Ladefläche hieven lässt.
Die Frau lächelt und macht es sich auf und neben Ines bequem. Als der Wagen losfährt, lernen sich die beiden Damen bereits bei einem Schwätzchen kennen. Michi
schießt einstweilen ein Bild. Ein lustiges. Wir beide, samt der heiteren Afrikanerin, rumpeln auf einer Ladefläche durch die namibische Wüste. Die beiden neuen Passagiere verlassen nach wenigen
Kilometern bereits wieder das Fahrzeug. Unsere Rückfahrt führt uns weiter. Schnurstracks durch das lebendige Township nordöstlich von Lüderitz. Obwohl es im Vergleich zu Slums in Ostafrika
aufgeräumt wirkt, kann man die Armut zwischen den Wellblechhütten fühlen. Neugierige Blicke, Kinder die in Lumpen einem Rad nachlaufen, grauhaarige Händler die auf Kunden warten, Frauen samt
Wäschekörben am Kopf und ein ramponierter Billardtisch neben einem Verschlag ziehen langsam an uns vorbei. Eine kurze aber intensive Erfahrung.
Als Dank für seine Dienste laden wir Shilongo noch zu einem Bier in der Stadt ein, bevor er zurück ins Büro muss. In einem kleinen Tapas Lokal werden wir anschließend kaum satt und spazieren zum Sonnenuntergang ins Camp. Auch in dieser Nacht hüllen wir uns zusätzlich zur Heizung noch in mehrere Kleidungsschichten, um nicht zu frieren.
Spaziergang durch die Geisterstadt
Nach einem letzten Frühstück am Meer starten wir den Bus und verlassen Lüderitz. Proviant und zwei Tickets für die Geisterstadt Kolmannskuppe nehmen wir am Weg noch mit. Als wir dort ankommen, sind wir nicht die einzigen Gäste. Der Ort ist ein beliebtes Ziel für Touristen und findet sich tatsächlich in jedem Reiseführer. Seit den 1960er Jahren steht die einstige Diamantenhaupstadt Kolmannskuppe völlig verlassen inmitten der Wüste. Wo damals der erste Röntgenapparat auf der Südhalbkugel oder eine Eiscreme-Manufaktur ihre Heimat fanden, verschlingt Heute der Sand der Namib zunehmend die verbliebenen Häuser. Bevor wir uns einer Tour anschließen, begutachten wir den alten Festsaal und das anliegende Schmuggel Museum. Eine durchaus unterhaltsame Ausstellung. Von doppelten Schuhsohlen bis zu kriminellen Brieftauben bekommt man hier Nachhilfe in Sachen Kreativität.
Auf der kurzen Tour erfahren wir mehr über den Aufstieg und Fall der einst reichen Stadt. Nach dreißig Minuten sind wir uns selbst überlassen und dürfen in die verfallenen Häuser hineinkraxeln. Meist gebückt, selten aufrecht und immer mit Bedacht vor lauernden Schlangen, verschaffen wir uns Zugang. Der Sand bedeckt in manchen Räumen nur den Boden, in anderen hat er bereits die Decke erreicht. Souvenirjäger haben, bis auf Badewannen und Sicherungskästen, das meiste Inventar geplündert. Die Farbe an den Wänden ist durchgehend verblasst, durch die offenen Fenster zieht ein warmer Windstoß an uns vorbei. Jedes der Häuser hat seine eigene Geschichte, die Sandkorn für Sandkorn begraben wird. Das nächst größte Gebäude nach dem Festsaal ist das ehemalige Krankenhaus. Der Zugang ist einfach und wir finden uns in einem lange Korridor wieder, der jedem Thriller als Kulisse dienen könnte. Von links dringen einzelne Lichtstrahlen ins Gebäude, ganz am Ende des Ganges ist ebenso eine Lichtquelle. Entlang der schummrigen Wände erkunden wir Raum für Raum, finden aber nichts Gruseliges. Außer dem großen Krankenhaus sind noch zwei weitere Gebäude auffallend gut erhalten. Im ersten, dem Haus des ehemaligen Buchhalters, erklimmen wir über knirschende Treppen den Dachboden, der nur teilweise bedeckt ist. Nebenan im Haus des ehemaligen Minenverwalters zeugen schicker Marmor und Fließen aus Italien von den damaligen Ansprüchen der Wohlhabenden. Für Dreharbeiten zu einem Film, wurde das Gebäude teilweise restauriert und ist ebenso völlig zugänglich. Von der Terrasse schweifen unsere Blicke ein letztes Mal über die Ruinen am Rand der Wüste.
Gegen Mittag starten wir den Bus und fahren zurück nach Osten. Bei der Ortschaft Aus wollen wir nach Norden abbiegen zu den Tirasbergen. Angeblich ein Hotspot für Sternenfreunde am Rande der Namibwüste. Obendrein streifen seltene Bergzebras und viele Geparden durch die menschenleere Landschaft. Es soll unser letzter Abstecher in die afrikanische Wildnis werden, bevor wir langsam Kurs zurück nach Walvis Bay nehmen, wo wir in weniger als drei Wochen erwartet werden.
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Xandalph + Joxe (Samstag, 22 September 2018 09:48)
Hallo Ihr zwei!
Es ist immer wieder so toll euren Blog zu lesen, man kann sich alles so wunderbar bildlich vorstellen. Wir sind froh, dass ihr eure Wappentiere endlich gesehen habt und diese Erfahrung so mit uns teilt. Die Bilder sind wirklich atemberaubend und wir freuen uns schon auf einen ganzen Tag Afrika Bilder zu sehen und euren Geschichten lauschen zu können.