Von roter Erde und roten Seen
"Da könnte sich die Asfinag was abschneiden" meint Ines zufrieden. Der gesamte Autobahnabschnitt von Sevilla bis kurz vor der portugiesischen Grenze wird von blühenden Oleanderbüschen flankiert. Weiße und rosa Blüten ziehen ein leuchtendes Band über hunderte Kilometer, dass man wohl auch aus dem Weltall sehen könnte. Nach der Grenze dominiert eine andere Farbe. Die lehmige Erde hat ihre rote Färbung der Oxidation von Eisen zu verdanken und bedeckt die komplette Algarve im Süden Portugals. Unser Stellplatz befindet sich einige Kilometer vor Albufeira, am Rande eines ruhigen Nests. Den Tipp haben wir von einer besonders lieben Freundin erhalten, die vor einigen Jahren bereits ausgiebig die Region mit dem Wohnmobil bereist hat. Wir entscheiden uns nicht genau für den empfohlenen Platz, aber den ruhigeren nebenan, der auch nur einen kurzen Spaziergang von den Klippen entfernt ist. Weit hinten finden wir eine Parzelle ohne Schatten, aber auch ohne viel Nachbarschaft. Nur ein deutscher Rentner, der freundlich grüßt, und ein junges englisches Pärchen sind in unmittelbarer Sichtweite. Als wir die Markise aufbauen, bleibt der junge Engländer auch kurz stehen und wir tauschen ein paar Worte. Der nette Bursche erzählt, dass er einiges Geld mit dem Verkauf seiner Internetfirma gemacht hat, sich nun einen Camper ausbauen hat lassen und mit seiner Frau in Portugal oder Spanien sesshaft werden möchte. Das besondere Highlight ihres Campers, erklärt er, ist eine ausklappbare Pole-Dance Stange am Heck des Busses. Seine Frau ist ein "Professional Instructor" und muss natürlich "in shape" bleiben. Wir müssen schmunzeln und stauen nicht schlecht, was es alles für Sachen gibt.
Dann schnappen wir unseren marokkanischen Last-Minute Einkauf, den fruchtigen Sonnenschirm im Wassermelonen Design, und machen uns zu Fuß auf in Richtung Meer. Nur wenige Minuten später stehen wir an einer steilen Klippe und blicken auf einen fast leeren Strand hinunter. Herrlich! Jetzt geht es nur mehr darum, einen Weg zu finden um nach unten zu gelangen. Wir folgen dem Erdweg in Richtung Westen und werden bald fündig. Zwischen rotgefärbten Felsformationen führt eine hölzerne Treppe zu dem malerischen Strand. Abseits der Strandbar, samt Service und Liegen, hat sich kaum jemand niedergelassen und wird müssen nur kurz spazieren um ein völlig leeres Stück Strand für uns alleine zu haben. Ines hat die tolle Angewohnheit, Wassertemperaturen nicht nur akustisch zu beschreiben, sondern auch mit ihren Augen. Die werden immer größer, je weiter wir uns in die Wellen begeben. Zum Abkühlen ist die kühle Temperatur jedenfalls perfekt. Zumindest für mich. "Es tut schon so weh" klagt Ines und kann dabei immerhin noch lachen. So bleibt es am ersten Tag bei mehreren, aber immer kurzen Sprüngen ins Meer.
Am nächsten Tag machen wir uns früher auf den Weg hinunter. Ich möchte erstmals die Drohne steigen lassen, die uns Johannes für die weitere Reise vermacht hat. Voll bepackt und abmarschbereit, werden wir abermals angequatscht. "No do schau her, Österreicher! Wos is des? St. Pölten Laund, oder?" bellt uns ein glatzköpfiger Steirer mit kaiserlichem Bart lachend zu. Der ältere Herr und seine Frau sind ebenfalls am Weg zum Strand und wir gehen ein paar Schritte gemeinsam. Neugierig sind die zwei, strotzen aber gleichzeitig auch vor Urteilen und "Wissen" und freuen sich, ungefragt weise Belehrungen kund zu tun. "Ah so, Marokko worts, na des is nix durt...des hob i scho bei denen im Internet gsegn!" oder "Wie woitsn ihr in Fraunkreich ohne die Blablabla-App überhaupt stehbleibn?". Als ich die Frage verneine, ob wir "do wos online orbeitn, oda?" meint er provokant: "Na und wer zoid daun mei Pension?". Die Geschichten über seine ehrwürdigen Verdienste in seinen 40 Jahren in der gleichen Firma möchte ich mir ersparen und verabschiede mich rasch. Auch Ines ist erleichtert. Die Partnerin des Ringelschnauzers war ebenso voller Belehrungen und Weisheiten.
Als wir an der Klippe ein vermeintlich gutes Plätzchen finden, um die Drohne fliegen zu lassen, belehrt uns wiederum die Natur. Nur wenige Momente in der Luft, setzt eine Möwe zur Attacke an. Dann eine zweite. Ines erkennt rechtzeitig die Gefahr und deutet mir, rasch wieder zu landen. Bereits in Cádiz haben wir Möwen beobachtet, die eine Drohen attackiert haben. Ob es hier um Revier und Konkurrenz geht, oder gar Nester beschützt werden, müssen wir noch in Erfahrung bringen.
Es folgt nicht nur ein weiterer ruhiger Strandtag, sondern wir freuen uns bescheiden über unseren ersten Hochzeitstag. Ja ja, wie die Zeit vergeht. Der abermals fast menschenleere Strand ist mehr als eine würdige Kulisse, ein Jubiläum zu feiern und ich wünsche mir, an vielen künftigen Hochzeitstagen mit Ines ins Meer springen zu können.
Chefköchin Ines treibt die Romantik noch weiter voran und backt am Abend eine leckere Pizza auf dem Benzinkocher. Die Flasche marokkanischen Rotwein darf ich öffnen und wir lassen den lauen Abend bei Musik und Sternenhimmel ausklingen.
Weil es uns so gut gefällt und die Temperaturen ohnehin nichts anderes zulassen, verbringen wir den folgenden Tag im selben Rhythmus. Was neu ist, bzw. uns in Portugal auffällt, ist die steigende Zahl an Mietcampern, die zu Beginn der Feriensaison laufend eintrifft. Ob "Roadsurfer" oder "Indie-Camper", die Firmen machen offensichtlich ein sehr gutes Geschäft mit ihren Vermietungen. Hätten wir doch vor 6 Jahren, die Idee und das nötige Kleingeld gehabt! Die (meist jungen) Insassen der Mietcamper tanzen an dem Stellplatz leider auch aus der Reihe und sind mit keinerlei Camper-Etikette vertraut. So suchen manche den Schutz der Markise des Nachbarn, anstatt sich auf einen der vielen freien Plätze alleine zu platzieren. Auch die Ankunftszeiten weichen von denen ab, die mehr Routine besitzen. So treffen auch spätnachts noch beklebte Wohnmobile ein mit lautstarker Musik und grölenden Gören. Wir haben in unserer Ecke Glück, fühlen aber mit so manchen Camper mit, der spät so unverhoffte Nachbarschaft erhält.
Als die ersten dichten Wolken aufziehen, verlassen wir die Küste und fahren ein Stück ins Hinterland der Algarve. Ines ehemalige Yogalehrerin hat sich kürzlich mit ihrem Freund dort niedergelassen und freut sich über einen kurzen Besuch. Wir sind natürlich neugierig und hoffen Einblicke in Sachen Auswandern, Neuanfang und das Leben im Süden Portugals zu erhalten. Das Treffen klappt und nach einer gemeinsamen Jause, Kaffee bzw. Kakao und einem interessanten Gespräch, müssen wir wieder aufbrechen, um unser nächstes Ziel weiter nördlich noch am Nachmittag zu erreichen.
Neben der ehemaligen Mine von Lousal, hat die Gemeinde einen kleinen kostenlosen Wohnmobilstellplatz errichtet, wo nicht nur Wasser sondern sogar kostenlos Strom zur Verfügung gestellt wird. Diese Art von Stellplätzen gibt es in vielen spanischen und portugiesischen Gemeinden, die damit den Tourismus ankurbeln wollen. Wir erreichen ziemlich verschwitzt den hübschen Platz, der sogar mit Bäumen und Hecken abgetrennte Parzellen vorweist und freuen uns, dass auch am späten Nachmittag noch mehrere Plätze frei sind.
Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg, dem Ort "etwas zurückzugeben" und besuchen das Bergbaumuseum, das an die verlassene Mine angebaut wurde. Wir erfahren, das seit dem Auflassen der Mine im Jahr 1988, nicht nur der Ort sondern die gesamte Region, unter den wirtschaftlichen Folgen leidet. Arbeitslosigkeit und Abwanderung sind bis Heute ein großes Thema. Die knapp 90 Jahre des Pyritabbaus haben auch sichtbare Umweltschäden unbekannten Ausmaßes hinterlassen. Das Mineral ist bei uns als Katzengold bekannt, das einen hohen Schwefelanteil in sich trägt. Die Mitarbeiter des Infocenters sprechen gutes Englisch, statten uns mit einer Karte aus und wir dürfen selber auf Entdeckungsreise durch diesen "Lost Place" gehen. Nach den ehemaligen Fabrikhallen, wo nur mehr Stahlgerippe vom Dach übrig sind, führt uns ein Pfad über gelbes Geröll. Der Schwefel ist ausnahmsweise nicht riechbar, sondern nur unter unseren Füßen sichtbar. Danach beginnt ein Lehrpfad, der hinunter zu den beiden Säureseen führt. Der erste See wirkt in seiner blaugrünen Farbe gar nicht abstoßend, während der zweite giftig rot schimmert. Ein toter kahler Baumstamm ragt in Ufernähe aus dem roten Gemisch empor. Hier möchte man sich nicht die Hände waschen. Bei einer Folge der Simpsons würde uns an dieser Stelle ein glücklicher dreiäugiger Fisch entgegenhüpfen.
Später statten wir noch einem von zwei Lokalen der kleinen Gemeinde einen Besuch ab. Am Abend ereilt auch uns ein "Roadsurfer-Erlebnis". Kurz vor Mitternacht rumpelt ein Kastenwagen ein und weckt den halben Stellplatz. Es ist nicht zu überhören, dass es sich um zwei junge deutsche Paare handelt, die obendrein noch ihre Sessel draußen platzieren und sich freudig eine Mitternachtsjause zubereiten. Ob tatsächlich Mietcamper oder einfach junge Deppen hier am Werk sind, macht für uns gerade keinen Unterschied. Ich kann den Reflex unterdrücken, nach draußen zu gehen und verlasse mich auf einen der betroffenen Camper nebenan. Tatsächlich lässt der Lärm nach einer Weile nach, welchem älteren Nachbar auch immer zu danken sei.
Ein Abstecher ins Mittelalter und das "Venedig Portugals"
Das hübsche Lissabon kennen wir bereits und aus Mangel an passenden Park- und Nächtigungsmöglichkeit passieren wir Portugals Hauptstadt um ein anderes Highlight zu besuchen. Die Mittelalterstadt Obidos ist für seine Burg und die durchgehend begehbare Wehrmauer bekannt, die den historischen Stadtkern umschließt. Außerdem veranstaltet der Ort Literaturfestivals und den ältesten Mittelaltermarkt Portugals. Bereits am Weg zu unserem Stellplatz am Fuße der Stadt nehmen wir eine deutliche Veränderung wahr. Portugal wird grüner, die Hügel saftiger und runder als im Süden.
Obidos mögen wir auf Anhieb. Hohe Mauern, Türme, Pflastersteine, stilvolle Handwerksläden, Buchhandlungen sowie kleine Cafés lassen uns Neugierig werden. Wir flanieren dementsprechend langsam und besuchen einige Läden. Die Fusion von Holz- und Keramikwaren, die hier hergestellt und verkauft wird, gefällt uns ausgesprochen gut. Obwohl wir nichts brauchen und keinen Millimeter Platz mehr im Bus haben, fällt es schwer, sich nichts mitzunehmen. Umso genussvoller gönnen wir uns in der Schokoladenmanufaktur von Obidos ein preisintensives Dessert. Dort steht neben unserem Tisch ein lebensgroßer 160kg schwerer Astronaut aus Schokolade, an dem sein Schöpfer 128 Stunden gearbeitet hat. Danach biegen wir in ruhigere Gassen ab, freuen uns über den Anblick der hübsch bewachsenen Fassaden der Häuser und werfen einen Blick in eine Kirche, deren Wände durchgehend mit Azulejos, also bemalten Fließen bedeckt sind. In der Ausstellung, in der handliche Mordinstrumente, ausgestellt werden, hält es Ines nicht lange. Als leise Musik aus Horrorfilmen im Hintergrund ertönt, flüstert sie "Stört es dich, wenn ich schon mal rausgehe?". Unter dem Torbogen, der zur Burg führt, trällert eine Sängerin ihre Lieder, während dahinter Arbeiter bereits die Kulissen für das anstehende Mittelalterfest aufbauen. Die Burg ist außergewöhnlich gut erhalten und thront imposant auf dem höchsten Punkt der Stadt. Ein Besuch der Innenräume ist leider nur mehr möglich, wenn man sich eine Nacht, in dem zum Luxushotel umgebauten Gemäuer, gönnt. Dafür entdecken wir eine ausgefallene Buchhandlung, die einst Kirche war, einen geschmackvollen Laden der ausschließlich Sardinenbüchsen verkauft, sowie ein Atelier, das auf zwei Etagen wie ein bewohntes Haus eingerichtet ist und so ziemlich alles verkauft, wo ein Preisschild Platz findet.
Wir bekommen dort im Patio sogar Getränke serviert und der Inhaber gibt ohne Aufforderung freudig stolz und mit starkem Akzent die einzigen deutschen Vokabeln preis, die er kennt: "Zwei große Bier, bitte".
Nach einer ruhigen Nacht am Stellplatz neben dem alten Aquädukt, fahren wir weiter in den Norden nach Aveiro, dem "Venedig Portugals". Die Stadt an der Atlantikküste, die von drei großen Kanälen durchzogen wird, soll sehr sehenswert sein. Wir haben abermals Glück und ergattern um 11:00 Vormittags den letzten freien (Wohnmobil-)Stellplatz, von wo wir unseren Spaziergang bei trüben Regenwetter starten.
Zuerst bietet die moderne Markthalle Schutz, wo wir von einer putzigen alten Dame Marillen kaufen. Von dort aus sehen wir auch die ersten Gondeln an uns vorbeiziehen. Anderes als in Venedig, werden die bunt bemalten Boote motorisch betrieben. Immerhin werfen sich manche Kapitäne in Schale bzw. Tracht. Mittags finden wir ein vegetarisches Lokal, wo wir essen und beobachten, wie sich die ersten Wolken verziehen. Der anschließende Rundgang durch die Altstadt fällt deswegen kurz aus, weil diese nicht sonderlich groß ist. Obwohl die touristischen Highlights überschaubar sind, gefällt uns Aveiro gerade bei zunehmenden Sonnenschein immer besser. Die Jungenstil-Architektur der Häuser, die vielen Azulejos und bunten Farben an den Fassaden, die Pflastersteinmosaike entlang der Gehwege sowie die geschmückten Fußgängerbrücken bilden ein hübsches Potpourri, das im Zusammenspiel zur Geltung kommt. Eine Bootsfahrt lassen wir aus und erkunden lieber zu Fuß weiter, wo wir bei neuerlichem Regen rasch einkehren könnten. Dabei entdecken wir auch viele lauschige Ecken, nur wenige Minuten vom Zentrum entfernt. Am Rückweg zum Bus laufen wir an einem Laden vorbei, der meine Aufmerksamkeit weckt. Darin werden in weiten Behältern ungeöffnete bzw. nicht abgeholte Pakete aller Formen und Größen zum Kilopreis verkauft. Ein paar Momente verweile ich, bin neugierig, ob ein Käufer gerade eine "Hidden Treasure Box" erwischt.
"Wow, die sind aber cool" kommentiert Ines ein niederländisches Rentnerpaar, das am Morgen trotz Nieselregen hinter den Campingbussen, ohne jegliche Privatsphäre eine Einheit Tai-Chi praktiziert. Auch mein anfängliches Schmunzeln weicht Respekt. Es gefällt mir, dass jemand unabhängig der äußeren Umstände sein Ding durchzieht und seine Prioritäten Ernst nimmt.
Kulturgüter und der gute Jesus vom Berg
Wir umfahren das verregnete Porto, um in Portugals drittgrößter Stadt, Braga zu landen.
Die Stadt im Norden Portugals ist bei Fußballfans für das unkonventionelle Stadion bekannt und hat eine bewegte Vergangenheit. Braga wurde erstmals von den Römern besiedelt und war bis ins frühe 19. Jahrhundert Austragungsort vieler bedeutender Schlachten, ist seit über 900 Jahren Erzbischofsitz und war einst die Hauptstadt des Königreichs Galizien. Das Wahrzeichen der Stadt, das Heiligtum Bom Jesus do Monte ist neben Fatima der Wallfahrtsort schlechthin in Portugal und liegt wenige Kilometer außerhalb der Stadt. Exakt 581 Treppen im Zickzack müssen dort überwunden werden, bevor man die Basilika erreicht. Den Spaziergang dort, planen wir für das Ende unseres Aufenthalts ein.
Unsere Wahl zum Übernachten fällt auf den Campingplatz im Süden der Stadt. Eigentlich schön auf Terrassen angelegt, löst der Platz, aufgrund des allgegenwärtigen Schattens und der kleinen Parzellen, keine Euphorie bei uns aus. Möglicherweise kann die baldige Rückkehr der Sonne da Abhilfe schaffen. Als es am späten Nachmittag soweit ist, machen wir uns zu Fuß auf den Weg ins historische Stadtzentrum. Weiter unten, im großen Park unter dem Campingplatz, werden gerade Bühnen aufgebaut und Plakate aufgehängt. "Do passiert wos!" kommentiere ich wenig geistreich das Offensichtliche. Das Geheimnis lüftet sich kurz darauf, als wir die dekorierte Hauptstraße zur Innenstadt erreichen. Es ist Mitte Juni und die traditionsbewussten sowie gläubigen Portugiesen, feiern ebenso wie ihre spanische Nachbarn, die Sommersonnenwende, die sich mit dem katholischen Feiertag des Heiligen Johannes überschneidet. Ich war vor vielen Jahren mit Freunden zum San Juan Fest in Barcelona, wo alte Möbeln und Sperrholz die Nahrung für riesige Feuer am Strand waren. Die Portugiesen nennen es namensgleich São João und veranstalten ebenso große Umzüge, Prozessionen und Veranstaltungen. Obwohl wir für die Feierlichkeiten eine Woche zu früh vor Ort sind, finden wir bereits ein aufgeputztes Braga vor. Vor Foodtrucks stehen die Leute bereits Schlange und zu unserer Überraschung, läuft uns ein vollständig kostümierter Clown über dem Weg. Ein paar Gassen später, beginnt unser Sightseeing zufällig, als wir vor dem alten Rathaus und an der Kathedrale vorbeispazieren. Die vielen Parks und die weitläufige Fußgängerzone gefällt uns. Überhaupt spaziert es sich gut in Braga, obwohl die Stadt auf einem Hügel liegt und es immer wieder bergauf und bergab geht. Oft vorbei an kleinen Bars, deren Musik angenehm nach draußen strömt. Die Abendsonne vermag es gleichzeitig, die zartbunten Häuser in Szene zu versetzen. Der erste Abend in Braga macht Lust auf mehr.
Am nächsten Tag starten wir unseren Spaziergang bei Sonnenschein deutlich früher, entdecken neue Gassen und gönnen uns ein Stück portugiesisches Kulturgut. In einer "Pasteis de Nata" - Manufaktur lassen wir uns zum Kaffee eine frische Portion servieren. Die kleinen Puddingtörtchen aus Blätterteig, knapp 5 Zentimeter groß, werden bevorzugt warm verspeist und mit einem Hauch Zimt bestreut. Uns schmecken die Pasteis de Nata, aber ich würde es wohl kaum einem knusprigen Faschingskrapfen oder einem Tiramisu vorziehen. Ein weiteres portugiesisches Kulturgut ist die Korkeiche, deren Ernte man oft am Straßenrand beobachten kann. In einem Geschäft, das verspricht ausschließlich nachhaltige und hochwertige Korkwaren aus Portugal anzubieten, kommen wir mir der Besitzerin ins Gespräch. In fließenden Englisch erzählt sie uns über die Herkunft und unterschiedlichen Hersteller der Artikel. Ines gönnt sich dort etwas außergewöhnliches und spaziert wenig später mit einem feschen Paar portugiesischer Korkschuhe aus dem Geschäft. Eine besondere Erinnerung an Portugal und Braga insbesondere. Ein Schmankerl liefern wir noch ab, als wir in der Kathedrale unabsichtlich (aber nach Kenntniserlangung durchaus erfreut) durch den Hintereingang im kostenpflichtigen Museum landen, das Reliquien und Schmuck aus allen Epochen ausstellt. Stilgemäß verlassen wir nach dieser kleinen Gaunerei das Museum lächelnd durch den Vordereingang.
Bevor wir Braga in Richtung Spanien verlassen, besuchen wir auch noch die Hauptattraktion, das Heiligtum des Bom Jesus do Monte. Es herrscht guter Andrang, wobei es sich mehrheitlich um Tagestouristen wie uns handelt, als um Pilger. Wir erklimmen die Treppen hinauf zur Basilika, die man auch per Standseilbahn erreichen kann und werden mit einem hübschen Ausblick über einen Teil Bragas, sowie den umliegenden Hügeln belohnt. In der Basilika findet bei offenen Pforten gerade ein Gottesdienst statt, womit wir als Zaungäste nur einen kurzen Blick hineinwerfen.
Danach nehmen wir Abschied von Portugal, dem wir entlang unserer Reise nur einen zehntägigen "Kurzbesuch" gewidmet haben und dennoch belohnt wurden. Wir denken an die wunderbaren Strände im Süden samt den rotorangenen Klippen, die verlassene Mine, an Obidos, die kleine Zeitreise ins Mittelalter und die hübschen Städte Aveiro und Braga.
Ein Land der Vegetarier ist Portugal definitiv nicht. Dafür können viele von ihnen Englisch. Besonders schön für Ines, die sich wieder häufig unterhalten konnte und nicht auf meine Übersetzungen oder mich als Gesprächspartner angewiesen bzw. beschränkt war. Die Begegnungen und kurzen Gespräche erlebten wir nicht nur ohne Sprachbarrieren, sondern immer auf Augenhöhe. In dieser Hinsicht können sich die vielen Fremdsprachen-Nackerpatzln aus Spanien was abschauen. Ich denke über die Gründe nach und woran das liegen kann. Haben die Spanier, die die zweitgängigste Muttersprache der Welt sprechen, ein derart linguistisches Selbstverständnis entwickelt, dass sie keine Notwendigkeit empfinden, eine Fremdsprache zu lernen? Ich weiß jedenfalls nicht, wie es sich anfühlt, einer derart weit verbreiteten sprachlichen Kultur anzugehören, die mehrere Kontinente umfasst und gleichzeig so vielfältig ist. Jedenfalls bin ich davon überzeugt, dass eine Fremdsprache nicht nur helfen kann, Kontakte zu knüpfen und Bekanntschaften zu schließen, sondern einem auch als "Fenster zur Welt" dabei helfen kann, ein breiteres Verständnis für andere Kulturen und die Welt im Allgemeinen zu erlangen. Die Portugiesen, die übrigens die sechsthäufigste Muttersprache der Welt sprechen, mögen wir in dieser Hinsicht loben. Gerne kommen wir zurück nach Portugal. Gerne ein bisschen länger.
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