Ein Berg der meinen Namen trägt
Die Franzosen haben charmanterweise ihre berühmteste Insel nach mir benannt. Der Mont St.Michel ist aber nicht nur eine Insel, sondern vor allem ein Wahrzeichen. Die Abtei, die hoch auf dem Berg thront, der jahrtausendelang nur bei Ebbe zugänglich war, ist neben dem Eiffelturm und dem Schloss Versailles die größte Touristenattraktion Frankreichs . Die Legende besagt, dass der Erzengel Michael höchstpersönlich dem Bischof Aubert von Avranches erschienen ist und ihm beauftragt hat, auf dem Berg im Wattenmeer ein Kloster zu bauen. Als dieser zu lange zögerte, soll ihm der Erzengel während das Schlafs mit seinem Finger ein Loch in den Schädel gebrannt haben. Der Schädel (samt Loch) existiert jedenfalls wirklich und wird in der Kirche von Avranches aufbewahrt.
Mehr als 200 Jahre später, im Jahr 933, nach der Annexion durch die Normannen, wurde innerhalb der Festungsmauer, die die Insel bereits umgeben hat, die erste Kirche errichtet. Benediktinermönche folgten, gründeten ein Kloster und erweiterten mit Hilfe von großzügigen Zuschüssen von Königen und Herzögen den Bau schrittweise. Der hundertjährige Krieg im 15. Jahrhundert, in dem der Mont St.Michel stets belagert, aber als einzige Insel niemals eingenommen wurde, verhalf zu weiterem Einfluss und Mythos. In Anschluss wurde der Chor der Abteikirche fertiggestellt und dem Wunderwerk epochaler Architektur seine heutige Gestalt verleihen. Auf dem 92 Meter hohen Berg thront seitdem eine 65 Meter hohe Abtei, die weithin sichtbar aus dem Meer ragt. Seit der Fertigstellung des Dammes im Jahr 1879 kann man (fast immer) unabhängig der Gezeiten die Insel zu Fuß und auch zwischenzeitlich per Bahn erreichen. Nach so vielen Fakten, darf auch wiederum Kurioses nicht fehlen:
Im Wattenmeer des Atlantik rund um den Mont St.Michel herrscht mit 14 Metern (!) der höchste Tidenhub, also die stärksten Gezeiten, in ganz Europa.
Entsprechend der Artussage soll der Heilige Gral am Mont St.Michel versteckt sein.
Der Berg diente als Vorlage von Minas-Tirith, der Hauptstadt von Gondor in den Herr der Ringe Verfilmungen.
Während auf der Insel nur 23 Einwohner dauerhaft leben, wird der Mont St.Michel jährlich von über 2,5 Millionen Menschen besucht.
Wir sind nun auf dem besten Weg, zwei dieser 2,5 Millionen zu werden. Dankbarerweise hat der TV-Sender ARTE eine brandneue Dokumentation um den berühmten Klosterberg und seine Mythen herausgebracht, die uns die letzten Tage als Abendprogramm gedient hat.
"Schau mal, ich glaub, ich kann ich ihn schon sehen" deutet mir Ines als wir noch etliche Kilometer weit von der Küste entfernt sind. Einen Augenblick lang sehe ich ihn auch. Der Berg ist irrsinnig dominant. Es gelingt uns, nach einigen Versuchen, im letzten Dorf vor der Insel einen guten Stellplatz zu finden. Erhöht neben der Dorfkirche haben wir sogar einen schönen Ausblick auf das Monument, dafür auch einige Kilometer Spaziergang vor uns. Wir freuen uns, fast wie Kinder auf Weihnachten, als wir die Rucksäcke zusammenpacken und aufbrechen. Die drei Schichten Kleidung oben, wie so oft in den letzten Wochen, und eine Kopfbedeckung sollen dem kalten Wind trotzen. Immerhin lichtet sich die Wolkendecke zunehmend und spendet Hoffnung auf ein paar hübsche Fotos. In weniger als einer halben Stunde erreichen wir den großen Parkplatz, wo Tagesgäste per Shuttle zur Insel gebracht werden können. Wir entscheiden uns, bereits vor dem Damm bzw. der Brücke wieder auszusteigen, um die letzten beiden Kilometer wiederum zu Fuß zurückzulegen. Mit der Idee sind wir nicht die Einzigen. Ein Strom an Menschen pilgert in Richtung des Berges und einige bereits zurück. Weiter vorne an der Brücke erkennen wir, dass gerade tiefe Ebbe herrscht. Der einzige Zeitpunkt also, an dem man den Berg zu Fuß umrunden kann. Die wenigen Mutigen, die weit draußen im Watt wandern, haben hoffentlich die Gezeiten im Blick. Nachdem wir draußen ordentlich gestaunt haben, zieht es uns hinein ins Stadttor. Dahinter wird es rasch laut und hektisch. Tausende Menschen strömen durch die enge Gasse, schieben Kinderwägen vor sich oder besänftigen ihren quengeligen Nachwuchs mit einer Tüte Eis. Wir entkommen dem Strom auf der Stadtmauer, warten bis sich wieder Lücken auftun und blicken retour aufs Festland. Anders als erwartet, gibt es am weder Seitengassen, noch Ecken oder offene Plätze, auf denen man kurz verweilen kann. Zurück entlang der einzigen (Haupt-)Gasse tauchen wir in ein paar Läden ein, stauen über den exorbitanten Wucher und flüchten bald in ein Lokal, wo wir von einer Terrasse aus das Treiben verfolgen. Den Preis den wir für Crêpes und Getränke bezahlen, verdrängen wir gleich wieder. Nachlass bekomme ich für meinen stolzen Namen übrigens nicht. Auch nicht in den Souvenirläden, die mit meinem Namen Geld verdienen. Danach geht es bergauf zur Abtei, wo es auch ruhigere Ecken gibt und man in Ruhe die gewaltige Architektur bewundern kann. Am Gestein und seiner Beschaffenheit kann man auch als Laie die unterschiedlichen Bauphasen erkennen. An der westlichen Fassade angelangt, beobachten wir, wie das Meer in zügigen Wellen zurückkehrt. Aus kleinen Lacken werden Seen und Minuten später bereits Flüsse. Die Geschwindigkeit mit der das Meer sich seinen Platz zurückerobert ist beeindruckend. "I glaub es reicht" gebe ich Ines zu verstehen, die ebenso genug von den Menschenmassen hat. Wir entscheiden uns dagegen, noch zwei weitere Stunden zu warten, um an der Abendführung durch die Abtei teilzunehmen und versuchen stattdessen einen Platz im Bus zu ergattern, der uns ein Stück weit zurück bringt.
Von unserem eigenen Bus aus, sehen wir die Sonne hinter dem Berg untergehen und erleben den angenehmsten Blick auf den Mont St.Michel - den von außen. So bleibt einem die Enge, Lautstärke und Hektik erspart. Ein Highlight fürs Auge bleibt der Besuch allemal und wir freuen uns zusätzlich über den ruhigen Übernachtungsplatz im kleinen vorgelagerten Dorf. Den Abend verbringen wir mit Recherchen, schreiben abermals Listen von möglichen Fährverbindungen nach England, die wir die letzten Wochen immer wieder im Blick hatten. Unser Visum haben wir bereits vor zwei Wochen erhalten und um den Einladungen unserer Freunde auf der Insel nachzukommen, fehlt nur noch ein Boot, dass uns rüber bringt.
Von den möglichen Häfen entscheiden wir uns, nach dem Frühstück, für Caen bzw. dessen Hafen Ouistreham und buchen unser Ticket. Ein paar Tage Zeit bleiben uns also noch, die Normandie kennenzulernen, bevor wir nach England übersetzen.
Abschied von Frankreich mit Nonna Bruna
Unser nächster Halt ist Villedieu-les-Poeles-Rouffigny, die Stadt der Kupferschmiede und Glockengießer. Dort gibt es einen Wohnmobilstellplatz am Rande der Altstadt, von wo wir unseren ersten Spaziergang starten. Die roten Ziegelfassaden dort sind bereits ein Vorgeschmack auf das nahe England. Wir folgen einer der beiden zentralen Straßen und landen beim Tourismusbüro, wo uns eine sympathische Mitarbeiterin empfängt. Die wohlgenährte Dame, in buntem Rockabilly Kleid, ist nicht nur passend geschminkt sondern auch voller Informationen. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch zu den Kupferschmieden, das Museum hat länger offen und die Handwerksläden müssen wir ohnehin besuchen, drückt sie uns lachend aufs Auge (dazu einen Stadtplan in die Hand). Die Kupferschmiede schließt bereits, als wir sie finden. Dafür sind die kleinen Kunstläden einen Besuch wert, wo man den Töpfern, Malern oder Bildhauern bei der Arbeit zusehen kann. Bei unserem Stopp in einem Café ist Ines wiederum genervt. Sie wünscht sich sehnlichst eine Getränkekarte, die sie studieren kann um anschließend ihre Wahl zu treffen. Schon in Spanien eine Seltenheit, fehlt den meisten Cafés in Frankreich so ein Druckwerk gänzlich. Das ich mich schon vorher auf einen Cappuccino gefreut habe, hilft meiner Liebsten weniger. So entscheidet sie sich für einen Cidre, also Cider, der hier ebenso beliebt ist wie in England. Wenig später im Museum fährt ihr das Getränk so sehr in die Glieder, dass sie sich ein Päuschen gönnen muss und eine Ladung Wasser ins Gesicht wirft. "Du kannst dir schon mal alleine das Zeugs ansehen" gibt sie mir zu verstehen. Als es mit ihr wieder bergauf geht, widmen wir uns gemeinsam dem Kupferhandwerk und dessen langer Tradition in Villedieu. Wir lernen, dass im Mittelalter die Produktion florierte und bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts über 80 verschiedene Meister in der kleinen Stadt diesem Handwerk nachgingen. Spannender wird es nicht, weshalb wir der Glockengießerei am Ortseingang ebenso noch einen Besuch abstatten.
Am nächsten Vormittag regnet es ununterbrochen. Eine kurze Regenpause nutzen wir, spazieren dorthin, wo wir am Vortag noch nicht waren und schaffen es rechtzeitig vor dem nächsten Regenguss zurück. Das bescheidene Wetter nagt ein wenig an unserem Gemüt.
Tags darauf erreichen wir Caen, parken neben dem botanischen Garten und spazieren hinunter zur Altstadt. Es ist Markttag und das Treiben entlang der Hafenpromenade wollen wir uns nicht entgehen lassen. An der Ecke der Floristen, wo hübsche Bouquets zu sehr günstigen Preisen rasch Abnehmer finden, tauchen wir in die Menge ein. Anders, als noch Tage zuvor, drängen die Menschen um uns kaum, sondern flanieren und geben einem die Möglichkeit, sich auch mal gegen den Strom zu bewegen. Die Auswahl der Produkte reicht von regionalen Lebensmitteln, Spirituosen, Second-Hand Kleidung, Pflanzen, Büchern, Spielzeug, Elektronik und Kunst bis hin zu den Garküchen, die an Vielfalt kaum zu übertreffen sind. Ein Abbild der Besucher, die von lauten afrikanischen Großfamilien bis zum Pensionisten Pärchen reicht, das sich gemächlich ihren Weg durch die Menge bahnt. Ein gutgelauntes buntes Miteinander, dass alle Altersgruppen anzieht und sämtliche Kulturen und Hautfarben in Interaktion treten lässt. Auch so kann Frankreich sein.
Nach ein paar kulinarischen Ausflügen, die Ines in vollsten Zügen genießt, finden wir uns in einem kleinen Café wieder, wo wir am Nachbartisch Gesellschaft von einer 6-köpfigen Familie aus England erhalten. Eine Viertelstunde später kommen wir aus dem Plaudern nicht mehr heraus. Nonna Bruna, die vor 60 Jahren von Italien nach England ausgewandert ist, ist eine Sensation. Die raue Stimme, samt herrlichen Akzent, ihre Geschichten von jugendlichen Fahrradtouren ins nahe Kärnten und ihre Verachtung für die englische Küche bringen alle zum Lachen. Auch in ihren 80zigern legt sie wert auf modische Outfits, hat ein Faible für bunte Schuhe und kleine Hunde. Natürlich verplaudern wir uns, werden aber prompt mit einer herzlichen Einladung belohnt. Falls uns unsere Reise in ihre Nähe führt, dann mögen wir doch unbedingt zu Besuch kommen. Mille Grazie, Nonna Bruna!
Von Caen sind es nur mehr wenige Kilometer bis nach Ouistreham, wo sich der Fährhafen befindet. Zu fortgeschrittener Stunde ist unser bevorzugter Campingplatz bereits voll und so spulen wir noch einige Kilometer ab, bevor wir drei Dörfer weiter einen hübschen kostenlosen Stellplatz finden.
Am nächsten Tag geht es zurück nach Ouistreham, wo ein letzter Großeinkauf ansteht, die Tanks gefüllt werden und der Campingplatz zumindest für den letzten Abend in Frankreich unser Zuhause wird.
Pünktlich zum ersten Tageslicht holt uns der Wecker aus dem Schlaf. Eine Tasse Kaffee muss reichen, bevor wir zum Fährhafen aufbrechen. Anders als in Spanien oder Marokko, geht hier alles sehr geordnet zu. Trotzdem verbringen wir eine knappe Stunde in einer Schlange, bevor wir zur Auffahrtsrampe gewiesen werden. Einige Stockwerke weiter oben an Bord, finden wir eine freie Bank samt Tisch und richten uns erstmal ein. Die Überfahrt soll exakt 6 Stunden dauern und ein bisschen Komfort schadet derweil sicher nicht. Den letzten Küstenstreifen Frankreichs lassen wir an uns vorbeiziehen und widmen uns dem Frühstück. Die Fähre zählt wohl zu den neueren und luxuriöseren Schiffen, die zwischen Frankreich und England pendeln. Über mehrere Stockwerke, mit unterschiedlichen Unterhaltungsmöglichkeiten und Restaurants, kann man sich die Beine vertreten und Zeit totschlagen. Die englischen Passagiere sind schnell von uns und den anderen zu unterscheiden. Sie trotzen, entsprechend dem Stereotyp, den kalten Temperaturen in Shorts und sommerlichster Bekleidung. "Schau, dir die mal an" kommentiert Ines etwas fassungslos, die ihre dicke Jacke bis unters Kinn zugeknöpft hat. Im Gegensatz zum stark klimatisierten Inneren des Schiffs, fühlt sich die kühle Luft an Deck wie eine milde Sommerbrise an.
Nach 5 Stunden Überfahrt ist erstmals Land in Sicht. Über der Südküste Englands hängen die selben dunklen Wolken, die wir in Frankreich hinter uns lassen wollten. Bevor wir dann die Uhren zurückdrehen und in die nächste Zeitzone eintauchen, vergeht noch eine weitere kühle Stunde. Dann werden alle Fahrzeuglenker und Insassen per Lautsprecher angewiesen, in die Laderäume zurückzukehren. Bald starten die ersten Motoren und weit vorne dringt bereits Tageslicht in den Schiffsbauch. Wir rollen behutsam über die Rampe hinaus und landen im Hafen von Portsmouth.
Links halten und geradeaus bis nach Oxford
Die Zollkontrolle verläuft, auch dank eines heitern gesprächigen Beamten, sehr unkompliziert. Nach einer kurzen Fahrzeuginspektion ist es soweit. Wir sind in England, nehmen die linkeste der linken Spuren und werden von einem ordentlichen Regenguss begrüßt. Der erste Kreisverkehr linksrum ist geschafft und am kostenpflichtigen Parkplatz eines kleinen Einkaufszentrums verschnaufen wir kurz. Nach dem erfolgreichen Kauf einer Sim-Karte und Bargeldbehebungen, entscheiden wir uns fürs erste für einen Campingplatz. Nach einer weiteren Stunde Fahrt, über die mautfreie Autobahn, erreichen wir unser Ziel bei Newbury. Der Campingplatz ist, wie die meisten in England, anders als im Rest Europas. In England handelt es sich meistens um große Grünflächen, am Rande eines Bauernhofs, die vom Farmer nicht genutzt werden. Oft ohne jegliche Einrichtungen, stehen die Preise (je nach Lage und Saison), denen eines gehobenen Platzes am Festland um nichts nach. Wir haben uns einen ausgesucht, der leistbar ist und obendrein sogar über WCs & Duschen verfügt. Der alte Farmer ist bestens aufgelegt, scherzt mit uns, als er aus seinem Empfangshäuschen rauskommt und lässt uns hinten auf der Wiese freie Platzwahl. "You are from Germany....oh, from Austria, ahhh that's even better" lacht er vor sich hin. Wie so ziemlich alle Engländer die ich kenne, mag ich auch den alten Schelm auf Anhieb.
All right, wir halten fest: im Reiseland Nummer 8 ist das Wetter vorerst schlechter als befürchtet, dafür voller Menschen die einen sehr offenen und humorvollen ersten Eindruck hinterlassen. Bereits in zwei Tagen wollen wir der ersten Einladung folgen und Nottingham erreichen. Dort lebt Ines langjährige Freundin Petra mit ihrem Mann Alex.
Entlang der Strecke in den Norden liegt die bekannte Universitätsstadt Oxford, die wir am nächsten Tag besuchen. Der Linksverkehr stellt meine Aufmerksamkeit nach wie vor auf die Probe, als wir das Zentrum erreichen. Die meisten Parkplätze in Oxford haben sogenannte "Height Barriers", also Höhenbegrenzungen samt Balken. Leider zeigt weder unsere App, noch die Suchmaschine an, ob so ein Balken vorm jeweiligen Parkplatz hängt. Als wir uns durch eine Ausfahrt in einen Parkplatz schummeln, kommt bereits ein Mitarbeiter auf uns zu. "Sorry, you can't park here, vans are strictly forbidden!". Nett wie die Engländer sind, sagt er dass lächelnd und holt sogar seinen Kumpel rüber, um gemeinsam ein Plätzchen für uns auszuloten. Ihren Tipp folgen wir und landen tatsächlich ganz nahe der Fußgängerzone. Hürde Nr. 2 sowie Nr. 3 der englischen Parkplatzschikanen folgt auf den Fuß bzw. die Räder. Die Parkbuchten sind nicht nur kurz, sondern auch einige Zentimeter schmäler, als sonst wo. Als wir den Bus in eine Lücke gequetscht haben, die ein Kleinwagen gut ausfüllen würde, fühlen wir uns wie der Elefant im Porzellanladen. Die nächste Hürde stellt der Parkautomat dar, der kein Bargeld akzeptiert und dessen Tarifliste nichts für schwache Nerven ist. "Do kemma am Flughofen a glei parken" lautet mein Urteil. Die 4 Stunden Parkzeit, die wir uns erkaufen, kosten knapp 20,00 Pfund! Immerhin sind wir nur wenige Minuten von der zentralen Straße Oxfords, der High Street, entfernt. Dort reihen sich die prachtvollen Fassaden der unterschiedlichen Eliteuniversitäten aneinander. Allein das Christ Church College hat 13 Premierminister herausgebracht. Wieviel Gewicht dabei der jeweilige Abschluss oder auch die gewonnenen Beziehungen spielen, bleibt ein Geheimnis. So wie das genaue Gründungsdatum des ersten Colleges in Oxford. Das Balliol College soll wahrscheinlich um 1263 gegründet worden sein und gilt als das älteste College der englischsprachigen Welt. Die meisten der Institute kann man besuchen, muss jedoch jeweils separat Eintritt bezahlen. Wir entscheiden uns für das zentral gelegene "St.Mary" mit der dazugehörigen Universitätskirche. Im Eintrittspreis ist nämlich der Aufstieg auf den Turm inkludiert, von dem man den besten Blick über die Stadt haben soll. Obwohl es auf den Straßen recht belebt zugegangen ist, haben wir mit der langen Schlange für den Turmzugang nicht gerechnet. Nur 10 Personen wird zeitgleich der Zutritt gewährt und mindestens 50 warten noch vor uns. Während ich mich mit drei Burschen aus den USA, die mit ihrer Schulklasse auf Englandreise sind, über Fußball und Basketball unterhalte, küsst uns das Glück. Die dazugehörige Lehrerin bietet uns an, doch gerne vor ihren beiden Klassen raufzugehen und somit die gesamte Schlange zu überspringen. "You can jump the queue" meint sie und genau das tun wir. Schon der Aufstieg über die enge Wendeltreppe ist nur für schlanke Personen gedacht. Sportlich wird es dann bei Gegenverkehr. Spätestens oben am Turm wird uns klar, warum nur wenige Besucher sich den schmalen begehbaren Vorsprung teilen können. Der Ausblick ist jedenfalls spitze. Ein Häusermeer an Prachtfassaden und Türmen die großteils der Gotik und (wie der Reiseführer sagt) dem Neoklassizismus entsprungen sind. In jeder Himmelsrichtung kann man Details wie Sonnenuhren und Spitzkuppeln entdecken. Unser Parkticket im Blick, biegen wir anschließend in den nordöstlichen Teil Oxfords ab, besuchen den großen Stadtpark, den Innenhof einer weiteren Universität und einen gut sortierten Laden, der ausschließlich Brettspiele verkauft. Nach einem flotten Kaffee, geht es weiter zur Seufzerbrücke Oxfords, der sogenannten Hertford Bridge, die zwei Teile des ansässigen Colleges verbindet. Dann bleiben wir in einer der einladendsten und umfassendsten Buchhandlungen hängen, die wir jemals besucht haben. Die Bücherkette Waterstone hat in Oxford eine besonders hübsch herausgeputzte Filiale, wo man sich auf mehreren Stockwerken gemütlich niederlassen und schmökern kann. Bereits am ersten Schautisch könnte ich vier Bücher einpacken. Ines geht es nicht anders. Wir verlieren uns erstmals seit langem aus den Augen und haben uns nach wenigen Minuten ganz viel zu erzählen und zu zeigen. Ohne zusätzliches Reisegepäck in Form eines weiteren Buches, dafür mit den Beinen in den Händen, geht es zurück zum Parkplatz, wo wir einer Punktlandung knapp zuvorkommen.
Die Nacht wollen wir ebenfalls in Oxford verbringen und haben uns ein besonderes Plätzchen ausgesucht. Das "Red Lion Pub" im Norden der Stadt, lässt Camper auf seinem großen Carpark übernachten, wenn sie im Pub zu Abend essen. Eine sehr gängige Praxis bei englischen Pubs und bei Campern, wie wir herausfinden.
"No problem, as long as you come for drinks or food" nickt uns Kellnerin Nancy zu, als wir vorstellig werden. Tatsächlich ist der Carpark weitläufig und beherbergt neben uns, noch einige andere Wohnmobile aus aller Herren Länder. Nachdem sich die Sonne durchsetzt, lassen wir unverhofft im Gastgarten den Abend ausklingen. An der Bar quatschen mich zwei Männer freundlich an, deren fleckige Arbeitskleidung darauf schließen lässt, dass sie direkt von der Arbeit kommen. "Oh Austria, lovely! I remember that place very well, they have some great lagers (also Lager Bier) over there!" freut sich der Eine. Sie erzählen mir ein paar Episoden und klären mich unter anderem über die verschiedenen Varianten von Bier in englischen Pubs auf. Zu meiner Überraschung trinken die beiden, wie die meisten anderen Besucher, kein heimisches Ale Bier, sondern Importmarken aus Spanien, Italien oder den Niederlanden. Man lernt nie aus. Ich freue mich abermals über die freundlich interessierten Engländer, mit denen man so leicht ins Gespräch kommt.
Unsere Nachbarn im Campingbus nebenan sind ebenfalls gesprächig. Sie sind, nach zwei Wochen in Wales, gerade am Heimweg in die Niederlande. In Wales war es sehr schön, aber nie annähernd so "warm" wie hier, berichten sie. Wir fragen uns gleichzeitig, welch kühles Wetter jemand erlebt haben muss, um sich Ende Juli über mickrige 22 Grad zu freuen. Hoffnungsvollerweise zählt der August auch in Großbritannien zum Sommer. Mögen die Wettergötter gnädig mit uns sein, wenn wir weiter in den Norden und Westen vordringen.
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Margit (Montag, 01 September 2025 14:31)
Es geht langsam heimwärts .LG
Ula (Montag, 01 September 2025 14:32)
Eure Reise ist toll! Jetzt kommt ihr vorraussichtlich in England in Gegenden, wo ich seinerzeit mit Bernhard 3 Wochen mit dem Auto, Zelt.... unterweg war. Wir sind damals von Oxford, dann zum Gerry nach Ashtead und weiter die Ostküste hoch, weiter York eine wunderschöne Stadt, und dann Edinburgh wo gerade die großen Feste waren und über Long Ness die Westküste wieder zurück nis London bzw zur Fähre. Ich wünsche euch eine weitere sehr schöne Reise mit hoffentlich schönem Wetter. Wir hatten damals Glück, Regen gab es kaum!
Xandi (Montag, 01 September 2025 20:25)
Wow ihr habt wieder tolle Sachen gesehen. Die Architektur schaut beeindruckend aus. Busssis
Birgit+Hari (Mittwoch, 03 September 2025 22:56)
Liebe Grüße aus Kanada. In der Bay of Fundy hatten wir gerade den Weltrekord Tidenhub von 16+ Meter
JoXe (Donnerstag, 04 September 2025 02:09)
Ja wie kann es auch anders sein: Ein Abenteuer jagt das andere und eine Stadt die andere! Es scheint bei euch kein Heimweh zu geben.
Wieder sehr prachtvolle Bilder mit den dazugehörig interessanten Geschichten. Besonders den Mont St.Michel finden wir sehr imposant und beeindruckend. Aber anscheinend finden das einige andere auch so und somit lässt sich diese einmalige Kulisse - wie wahrscheinlich auch viele andere monumentale Sehenswürdigkeiten - nicht voll umfänglich genießen. Aber eure wirklichen Abenteuer sind ja eh abseits Touristischer Attraktionen.
Bleibt gesund auf eurer spannende Reise durch die Welt.
Viele Bussis